Echtzeit-TV in der Krise Das Fernsehen der Zukunft hat längst begonnen

Das ZDF reagiert auf den dramatischen Quotenschwund und stellt mit "Wetten, dass ..?" Europas einstmals größte TV-Show ein. Ein konsequenter Schritt: Das lineare Fernsehen ist tot.

Es ist ganz sicher ein Zufall, dass einen Tag, bevor Markus Lanz das Aus von "Wetten, dass ..?" verkündete, die Grimme-Preise verliehen wurden. Und doch war die live auf 3Sat übertragene Veranstaltung ein Menetekel: Gleich mehrfach wurde dort "vom Ende des linearen Fernsehens" gesprochen und davon, dass immer Mensch gucken, wo sie es wollen und wann sie es wollen.

Die Erkenntnis ist alles andere als neu, aber auf der Preisverleihung von Deutschlands obersten TV-Wächtern ausgesprochen, wohnte dem eine gewisse Endgültigkeit inne. Das lineare Fernsehen ist tot - und es wird nicht wieder zurückkommen. Nur noch wenige Formate werden in Echtzeit geguckt: Sportereignisse, allen voran Fußball, der bei wichtigen Spielen nach wie vor Einschaltquoten verzeichnet wie vor 30 Jahren, als es nur drei Programme gab. Daneben hat sich erstaunlicherweise der "Tatort" etabliert. Ein Format also, das man zu jeder Zeit gucken könnte, das aber Woche für Woche zehn Millionen Zuschauer um exakt 20.15 Uhr am Sonntagabend sehen wollen. Weil es eine lieb gewonnene Gewohnheit ist. Und weil für viele den perfekten Abschluss des Wochenendes darstellt.

Hochgelobte US-Serien sind auf Sat.1 gefloppt

Alle anderen Formate, Filme, Serien oder Shows müssen eine plausible Begründung liefern, warum der Zuschauer zu einer ganz bestimmten Zeit den Fernseher einschalten sollte. Es gibt nach wie vor Sendungen, wo dies gelingt. Doch es wird für die Sender immer schwieriger, Zuschauer regelmäßig vor dem Bildschirm zu binden. Erst kürzlich scheiterte RTL spektakulär mit dem Vorhaben, drei neuen Comedyserien am Donnerstagabend einzuführen. Alle drei Serien sind gefloppt. Auch die Quoten von hoch gelobten US-Produktionen wie "Homeland" oder "House of Cards" (beide Sat.1) waren miserabel. Kein Wunder: Wer will schon bis zum späten Abend wach bleiben, nur um dann genau eine Folge zu gucken?

Jede Show muss dem Zuschauer das Gefühl geben, er verpasse etwas, wenn er nicht dabei ist. Das ist "Wetten, dass ..?" am Schluss immer weniger gelungen. Die Talfahrt hat schon lange vor Markus Lanz begonnen, sie hat seither noch einmal an Fahrt aufgenommen. Zwar sind die 6,8 Millionen Zuschauer vom Samstagabend für sich genommen kein schlechter Wert. Gemessen an den Kosten von 2,5 Millionen Euro pro Ausgabe ist das Publikum aber zu klein. Zumal das ZDF damit Inhalte produziert, die nur einmalig verwendet werden können.

Beispiel Samstagabend-Krimis im ZDF

Wie man das Geld besser investiert, beweist das ZDF mit den neuen Samstagabend-Krimis. Die kosten nicht einmal die Hälfte einer "Wetten, dass ..?"-Sendung, bekommen deutlich bessere Kritiken - und erreichen tendenziell ein größeres Publikum. Die neue Reihe "München Mord" wollen am vorvergangenen Samstag mit 6,75 Millionen Menschen sehen. Anfang März erreichte Anna Loos als Ermittlerin "Helen Dorn" sogar 8,01 Millionen Zuschauer. Und das Gute daran: Die Inhalte sind wiederverwendbar. Das ZDF kann die Filme jederzeit auf einem seiner Spartenkanäle senden, oder zu späterer Stunde im Hauptprogramm.

Auf diese Weise haben die Zuschauer vielfältige Gelegenheiten, die Krimis zu sehen, zumal sie auch über die Mediatheken abrufbar sind. Weitere neue Krimi-Reihen wie die hervorragende "Kommissarin Heller" warten auf die Ausstrahlung. Das ZDF scheint erkannt zu haben, dass es sinnlos ist, den Zuschauern vorzuschreiben, wann sie vor dem Bildschirm sitzen sollen. Auf den Spartenkanälen funktioniert das schon sehr gut. Ein Format wie das am Freitag mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete "Neo-Magazin" sehen schon jetzt mehr Zuschauer in der Mediathek als zur vorgegebenen Uhrzeit im TV. Auch daran sieht man: Das Fernsehen der Zukunft hat schon längst begonnen. Das ZDF scheint dies erkannt zu haben.

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