In seiner Frühzeit beschäftige das hiesige Fernsehen Schweine ausschließlich als Servicekräfte. In "Was bin ich" wurden sie verteilt wie auf dem Sklavenmarkt, "welches Schweinderl hätten's gern?" war das erste, was Robert Lembke seine Gäste fragte, deren Berufe zu erraten waren. Um jedesmal, wenn einer der Ratefüchse falsch getippt hatte, fünf Mark durch den Schlitz zu drücken. Die Emanzipation des Schweins ereignete sich in den Sechzigerjahren, parallel zur Revolte der Studenten, der Entfaltung der freien Liebe und der anschwellenden Gleichberechtigung.
Sie begann in Bayern, in Augsburgs berühmter Puppenkiste, wo die Schweine anfingen, sich die Menschensprache anzueignen: Paschik, das Schwein, das zu wenig frisst, weil es auf seine Figur achtet, ließ sie sich von seinem besten Freund lehren, dem Kater Mikesch; das Schwein Wutz lernte sie von seiner nächsten Bezugsperson, Professor Habakuk Tibatong, kurz bevor dieser auf das Urmel aus dem Eis stoßen sollte. Das Schwein ward Mensch geworden. Was Michel aus dem schwedischen Lönneberga - ein Bengel von der Art, wie sie heute von der Super Nanny besucht werden - und sein Ferkelchen in den beginnenden Siebzigerjahren besiegelten, indem sie sich mit Kirschwasser vollaufen ließen, bis die arme Sau willenlos über den Hof torkelte.
Schweine, die die Welt bedeuten
Alsbald begannen die ersten Schweine, sich mit den großen Fragen der Menschheit auseinander zu setzen. Die Brüder Piggeldy und Frederick traten einmal wöchentlich auf Einladung des Sandmännchens zum öffentlichen Diskurs an. Was ist Regen?, fragte Piggeldy, das kleinere der beiden Zeichentrickschweine. Oder: Wo fängt der Himmel an? Was ist eine Katze? Frederick brummte dann immer: "Nichts leichter als das. Komm mit." Die beiden spazierten durch die Landschaft, philosophierten, und irgendwann gingen sie wieder nach Hause. (Die Folge, in der Piggeldy seinen großen Bruder fragt, was Tumorstammzellen sind, gibt es nur auf YouTube.)
Es war, natürlich, Amerika, das die größte aller Schweinekarrieren ermöglichte. Miss Piggy, die Diva aus der "Muppet Show", hatte so gar nichts gemein mit den Schweinen, wie sie bislang im Fernsehen in Erscheinung getreteten waren. Piggy war von der Grazie einer Ava Gardner oder Rita Hayworth; sie liebte es, den Frosch Kermit zu betören, gehüllt in Netzschleier und Federboa, wie Marlene Dietrich sie in "Shanghai Express" getragen hatte. Piggy konnte bissig sie sein wie später Alexis im "Denver-Clan", resolut wie die Schwarzwälder Oberschwester Hildegard - und im nächsten Augenblick wieder zuckerschnutensüß. Als Johnny Cash bei den Muppets gastierte, war nicht June Carter an seiner Seite, sondern sie. Er in Schwarz, sie mit Cowboyhut. Miss Piggy stand mit Placido Domingo auf der Bühne, mit Elton John sang sie "Don't Go Breaking My Heart", beide ein Traum in Rosa.
Peter und das Wildschwein
Einmal war sie im deutschen Fernsehen zu Gast, in einer Show von Peter Alexander. In einer lauen Vollmondnacht kuschelten die beiden auf einer Parkbank. Er im Smoking, sie im Blümchenkleid, mit Perlenkette und fliederfarbenen Handschuhen, schmachteten die beiden einander an. "Ich weiß auf der Wieden ein kleines Hotel", sang er ihr ins Ohr, sie presste ihm ihren Rüssel ins Gesicht. "Kommt mit mir, mein kleines Cometesschen", säuselte er weiter, ihr entfuhr es: "Tässchen ist gut, am liebsten wär‘ mir ein Tässchen Cognac!" Er sang, sie busselte, "schön", stöhnte sie. "Wie wild du bist, Piggy", sagte Peter Alexander erstaunt, "ein richtiges Wildschwein!"
Und dann tat er das Unfassbare: Er steckte ihr ein Fünfmarkstück ins Dekolleté, und als sie ihn empört anschaute und fragte, wer ihm solche Manieren beigebracht habe, sagte er nur: "Robert Lembke. Der steckt auch immer fünf Mark ins Schweinderl." Und mit einem Mal war die ganze Emanzipation im Arsch.