Mail an Altenas Bürgermeister "Wenn Ihre Frau deutsch kochen würde, wäre das nicht passiert!"

Nur zwei Tage nach dem Messer-Angriff auf ihn, hat der Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein bei "Maischberger" über die Tat berichtet. Er gibt zu: "Meine Frau hatte Angst, dass was passiert."

Er wirkt gefasst und berichtet mit fester Stimme. An seinem Hals deutlich sichtbar ein großes Pflaster. Nur zwei Tage nachdem Andreas Hollstein in einem Döner-Imbiss von einem Mann mit einem Messer verletzt wurde, hat der Bürgermeister von Altena bei "Maischberger" von dem Attentat berichtet. Dass die Tat innerlich noch nachwirkt, gibt der 54-jährige CDU-Politiker, der für sein herausragendes Engagement für Flüchtlinge ausgezeichnet wurde, unumwunden zu. Der erste Gang vom Rathaus nach Hause sei schwer gewesen, die Versuchung, den Dienstwagen zu nehmen groß, "aber ich habe gedacht, ich gehe, weil ich muss wieder gehen." Nur so überwinde man "als alter Sportler" Niederlagen und eine solche hilflose Situation sei eine Niederlage.

Trotz seines Erlebnisses geht es dem Politiker um Ausgleich und Besonnenheit, "sonst könnte ich mir was anderes vorstellen als heute hier zu sitzen". Und genauso tritt er auf. "Frau Weidel kann nichts dafür", sagt Hollstein in Richtung der neben ihm sitzenden AfD-Fraktionsführerin Alice Weidel, und erzählt dann von einer E-Mail, die ihn erreicht hat: "Ich bin aus Protest AfD-Wählerin", zitiert der Politiker, "wenn Ihre Frau deutsch kochen würde, bräuchten Sie nicht zum Döner gehen, dann wäre das nicht passiert!" Nicht die einzige absurde oder hasserfüllte Mail, die der Bürgermeister nach eigener Aussage nach der Tat erhalten hat.

Hollstein zu Maischberger: "Es war todernst"

Noch während des Angriffs habe er versucht, auf den Täter einzuwirken. "Machen Sie sich selbst nicht unglücklich", habe er gerufen, als er mit dem kräftigen Täter gerungen habe. Auch der jüngere Imbissbudenbesitzer, der wie sein Vater zu Hilfe eilte, habe versucht, zu deeskalieren, "aber ehrlicherweise: Es war todernst."

Immer noch spürt er die Attacke und dass er sich mit aller Kraft dagegen gewehrt hat. "Wenn ich heute in beiden Oberarmen Muskelkater habe, kann ich Ihnen sagen, wovon der kommt", berichtet Hollstein. "Wir drei, Vater und Sohn Demir genau wie ich auch, haben danach gesagt: Was war der kräftig." Der 56-jährige schlaksige Mann, der den Bürgermeister attackierte, soll Maurer sein. "Wenn man einen Beruf hat, der im Handwerklichen liegt, ist man so einem Schreibtischtäter wie mir natürlich kraftmäßig überlegen."

Anruf von Kölns Oberbürgermeisterin Reker

Der Täter habe ihn zunächst angesprochen, berichtet Hollstein weiter: "Sind Sie der Bürgermeister?" Er habe sich angewöhnt, in solchen Fällen mit der Gegenfrage "Warum?" zu antworten, um gleich in das Thema, das den jeweiligen Bürger bewegt, einsteigen zu können, sagt Hollstein. Doch diesmal wollte sein Gegenüber nicht diskutieren, sondern zog ein "Fleischermesser", brachte ihm eine fünf Zentimeter tiefe Wunde am Hals ein. Immer wieder rief er dazu: "Du gibst mir nichts mehr zu trinken! Du hast 200 Menschen in die Stadt geholt! Ausländer!" Immer wieder habe der Mann das gesagt. Die Attacke habe sich in seinem Inneren festgesetzt. Wie er jetzt wisse, sei das ganz normal. Der Kölner Bürgermeisterin Henriette Reker, die selber Opfer eines Messer-Attentats aus Fremdenfeindlichkeit war, habe ihn angerufen und Ähnliches berichtet.

"Es fällt mir nicht leicht, das einzugestehen", sagt Hollstein, "aber meine Frau hatte Angst, das was passiert und hat gesagt, das werde über verbale Gewalt hinausgehen." Wirklich für möglich gehalten hatte der Bürgermeister das in seiner kleinen Stadt im Westfälischen nicht. Und er gibt dem Täter nicht die alleinige Schuld. Hollstein: "Das Gift aus den sozialen Medien findet Eingang in solche simplen Gemüter."

Alle anderen im "Maischberger"-Studio - neben der Moderatorin und AfD-Frau Weidel noch Heiko Maas (SPD), Kriminologe Christian Pfeiffer und "Spiegel"-Autor Jan Fleischhauer hören dem Bürgermeister aus Altena gebannt zu. Als er zu Ende gesprochen hat, beginnt die politische Debatte - mit den üblichen gegenseitigen Schuldzuweisungen.

dho

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