Stellen Sie sich vor, F. Scott Fitzgerald hätte Miss Marple einem Radikal-Makeover unterzogen - und sie nach Australien verpflanzt. Wenn Sie den einen oder die andere schätzen, werden Sie "Miss Fisher's Murder Mysteries" lieben!
Phryne Fisher ist verdammt schlau, unglaublich sexy und unverschämt reich. Als selbsternannte Privatdetektivin löst sie im Melbourne der 1920er Jahre Mordfälle - jede Folge einen. Und sie schleppt ein Trauma mit sich herum - so wie Sherlock seinen Moriarty. Aber das merkt man nur am Rande.
Heißblütig und eiskalt
Alles ist mysteriös an dieser fragilen Frau mit dem schwarzen Bob, diesem Flapper-Girl mit goldenem Herzen: wo sie herkommt, wo sie hin will, was sie treibt, wie das ehemals arme Mädchen eigentlich so reich geworden ist... Aber man vergisst sehr schnell, sich darüber zu wundern, weil es einfach eine Lust ist, Phryne bei der Mörderjagd zu begleiten und hin und wieder Häppchen aus ihrer Vergangenheit aufzuschnappen wie ein glücklicher Golden Retriever: Wenn sie Männern Kopf und Ego verdreht (ob früher in Paris oder in Melbournes verrauchten Jazzclubs), wenn sie den Alltag zur Party macht (in der Spelunke oder beim Nachmittagstee der feinen Gesellschaft), wie sie eiskalt kombiniert, heißblütig liebt und herzenswarm ihre Patchwork-Familie aus Angestellten zusammenhält.

Der Serienclub
TV-Serie schlägt Buch, wenn es um unsere Freizeitgestaltung geht – so geht das mittlerweile ziemlich häufig. Denn: Ein Gros der Serien bietet so viel mehr als Zerstreuung. Sie sind auch Pop und Politik. Sind Thema auf der Dinnerparty und am Badesee. Und meist sind sie auch nur einen Klick entfernt, Tag und Nacht zu konsumieren. Unter dem Label "Serienclub" stellen wir Ihnen Neuheiten und unsere Lieblinge vor, wir wollen untereinander diskutieren oder Ihnen die Fakten für den gelungenen Partysmalltalk verraten.
Da ist die liebliche, erzkatholische, meist unterschätzte Dot, die man als Phrynes Personal Assistant bezeichnen könnte, die alles für ihre Chefin tun würde, auch wenn sie hin und wieder mit ihrem Glauben hadert, weil Phryne ihr zeigt, was Frau Anfang des 20. Jahrhunderts alles kann. Dot ist verbandelt mit dem stoffeligen, herzensguten Polizisten Hugh, der wiederum für seinen Chef, den schneidigen Kommissar Jack Robinson, durchs Feuer gehen würde. Diesem Robinson macht Phryne mit ihren eigenwilligen Ermittlungen das Leben schwer - manchmal aber auch um einiges leichter. Nach ein paar Folgen werden sie alle - und natürlich auch Mister Butler, Tante Prudence, Burt und Cec - zu ihrer Familie zählen. Versprochen. Und nebenbei fügt sich das Bild zusammen, bei dem - zum Glück - aber immer auch ein paar Puzzleteile fehlen.
Lustig bis David-Lynch-verstörend
Die Fälle werden mal gemütlich-lustig erzählt, mal David-Lynch-mäßig verstörend. Routine gibt es nicht. Und darum macht "Miss Fisher's Murder Mysteries" auch süchtig. Den größten Kick gibt dem Zuschauer allerdings Hauptdarstellerin Essie Davis. Eine richtige Frau, die die Spuren ihres mittleren Alters wie Medaillen trägt, bedeuten sie doch vor allem Erfahrung. Denn genauso wie die wunderbare Miss Marple kann Phryne einfach alles - und wenn nicht, weiß sie definitiv, wo sie einen Experten findet. Ganz ohne Google.
Hier finden Sie mehr Infos über die Buchvorlage
"Miss Fisher's Murder Mysteries" finden Sie auf Netflix und bis zum 22. Juli noch im Sony Entertainment TV. Danach wieder ab Herbst.