TV-Kritik "Plötzlich Krieg" Ach, sie suchen Streit

Von Jan Zier
Mit "Plötzlich Krieg" etabliert ZDF Neo einen TV-Knast für Intellektuelle. Am Ende ist das Ganze aber doch eher eine zum Experiment stilisierte Gameshow.

Es soll ja immer noch Menschen geben, die sich für zivilisiert halten. Macht ja nichts. Für die gibt es ja das Fernsehen. Und es gibt Menschen, die halten "Big Brother" für ein echtes Sozialexperiment. Für die hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen jetzt einen TV-Knast für Intellektuelle gebaut, ganz ohne abgehalfterte C-Promis und deren Angehörige, in einem, tatatata, ehemaligen Stasi-Krankenhaus in der Nähe von Berlin. Sie zeigen es auf ZDF Neo, weil sie Angst haben, es ins große Fernsehen zu bringen und nennen es "Plötzlich Krieg". Die kontrollierte Eskalation. Und wir alle gucken zu. Ein Gewalt-Porno für Arte-Gucker?

Nein. Das Potenzial ist natürlich da, in ganz vielen, und die Wissenschaft hat das lange bewiesen, spätestens 1971, als sie mal Menschen willkürlich in Wärter und Gefangene trennte. Bereits am Morgen des zweiten Tages brach in diesem "Stanford Prison Experiment" ein Aufstand aus, es musste abgebrochen werden. Im Verhältnis dazu ist hier alles ganz peacig. Dafür umso aufgebauschter.

Das Setting: Zwei von der Außenwelt abgeschottete Gruppen stehen sich gegenüber, wissen aber zunächst nichts voneinander. In ihnen – Team "Blau" und Team "Rot" - treten jeweils sechs Menschen gegeneinander an, die für körperlich fit, psychisch stabil und nicht besonders aggressiv befunden worden sind. Zwei Frauen und vier Männer, jeweils, darunter ein Maulwurf, der von dem Konfliktcoach Christopher Lesko geschult wurde und die Teams ein wenig manipulieren und "in eine Ausnahmesituation bewegen" soll.

"Krieg ist simpel"

ZDF Neo will damit zeigen, "wie erschreckend einfach es ist, anerkannte Regeln der Zivilisation zu durchbrechen." Das lässt sich natürlich auch allmontaglich an Pegida demonstrieren, aber hier kommt das Ganze ungleich wissenschaftlicher rüber. "Krieg ist simpel", sagt der Konfliktcoach, und erklärt die drei Grundbedingungen: "Wir sind die Guten." "Die sind die Bösen." "Die nehmen uns was weg." So weit, so banal, denn bis dahin unterscheidet sich ein gewöhnlicher Wettkampf im Sport noch nicht von den Demonstrationen der sogenannten besorgten Bürger oder echten bewaffneten Konflikten.

Doch das auf fünf Tage angelegte Format ist allzu bemüht, sich selbst zu einem unvorhersehbaren Ereignis zu stilisieren und die Lager der beiden Teams zum "Schauplatz eines Versuches" zu machen, den es so noch nie um Fernsehen gab. Aber freilich stimmt das eine so wenig wie das andere. "Das kann klappen oder auch nicht", sagt bedeutungsschwanger der Konfliktcoach und immer wieder gibt es martialische Musik dazu, schnelle Schnitte und Jochen Schropp, den Moderator von Promi Big Brother, der mit wichtiger Miene Fragen stellt.

"Spielebene eine zentrale Handlungsebene"

Dennoch ist der Anfang zäh, Langeweile wird zelebriert und das Teambuilding ausführlich begleitet, es gibt eine "Kommunikationseinheit" im Plumpsklo, die ein wenig an das Dschungelcamp erinnert und eine überdimensionierte Schaltzentrale, die wahrscheinlich gar nicht so selbstironisch gemeint ist wie sie daher kommt. Zwischendurch ist natürlich auch noch von der "immensen Verantwortung" die Rede, der sich das Produktionsteam aber selbst redend bewusst ist. Dann kommen die in solchen Fällen üblichen Wettkämpfe - denn "die Spielebene ist eine zentrale Handlungsebene", sagt Herr Lesko. Und so weiter.

Sehr viel später kommt es zu einem Art Beach-Rubgy zwischen beiden Teams, und Team Blau zieht mit dem Full Metal Jacket-artigen Schlachtruf "Muschis und Tussis" in den Kampf. "Wir zerstören die", sagt einer, "alles ist erlaubt" ein anderer. Ganz so dramatisch endet es dann aber doch nicht, und am Ende steht natürlich ein Friedensprozess, denn wir sind hier ja immer noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Es ist doch eher eine Gameshow ohne Hauptgewinn, aber viel Tamtam, kann man kritisieren, aber immerhin haben sie nicht auf billigen Gewalt-Voyeurismus gesetzt. Aber dafür gibt es ja noch das Privatfernsehen.

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