Raabs Rückzug Es war höchste Zeit!

Stefan Raab
Mit "TV total" und anderen Formaten prägte Stefan Raab 16 Jahre das deutsche Unterhaltungsfernsehen. Doch am Ende war es dann eher ein tägliches Abreißen müder Witze.
© Jörg Carstensen/DPA
Nach 16 Jahren Bildschirm-Dauerpräsenz gibt Stefan Raab sein Fernseh-Universum ab. Weil er weiß, dass nach ihm keiner mehr kommt.

Am Mittwochabend um 22.11 Uhr hat er sich von uns getrennt. Stefan Raab von uns Zuschauern. Und es fühlte sich an wie ein längst überfälliges Beziehungsende. Wir als Zuschauer, mich eingenommen, haben es lange hingenommen, dass der einst ehrgeizige Entertainer in den letzten fünf Jahren dann doch eher ein uninspirierter Mann hinter einem Schreibtisch war. Angetreten, DIE Late-Night-Show Deutschlands zu moderieren, war es dann doch eher ein tägliches Abreißen müder Witze.

Raab imitierte nur noch sich selbst. Nicht ohne Erfolg. Seine Formate (Raab + WM + Sportart) funktionierten - irgendwie. Aber funktionierten sie, weil wir als Zuschauer keine Alternative hatten? Die Öffentlich-rechtlichen bewarfen uns mit analogem Staub, während Raab gnadenlos Formate und Sendezeit überzog. Was sollten wir denn auch gucken? Es gab ja keine Alternative.

Die gibt es jetzt. Sie nennt sich Internet, und ich bin mir sicher: Raab hat einfach keine Lust mehr. Keine Lust, die immer gleichen Gäste zu empfangen, die immer gleichen Fragen zu stellen, die immer gleichen Einspieler zu kommentieren. ProSieben wird gesagt haben: Mach' ruhig, hier ist dein Vertrag bis 2022, die Zuschauer gucken das trotzdem. Auch wenn wir immer das Gleiche senden.

Raab war mutig. Er hat den Schritt gewagt und damit der vermutlich letzten Fernsehgeneration vor den Kopf gestoßen. Wir fühlen uns zurückgelassen. Wir sind zu alt und doof für YouTube, aber zu jung, um uns die Show-Reboots der ARD anzusehen. Er hat uns zurückgelassen.

Und nun beginnt der Kummer. 

Unsere erste große Liebe

Unsere Fernsehrituale, die wir unseren Eltern immer vorgeworfen haben, nehmen ein Ende. Keine "Raab-Show" mehr, keine Promis, die in Stock-Cars gegen die Banden fahren, keine gestauchten Wirbelsäulen mehr beim Turmspringen. Aber der Zuschauer ist gnadenlos. Er wird vergessen. Wird in ein, zwei Jahren, wenn DagiBee gemeinsam mit Jan Böhmermann Raabs Universum übernommen hat, nur noch in Erinnerungen auftauchen: "Erinnert ihr euch noch, wie cool das war, mit Stefan, damals, vor dem Einschlafen?"

Auch wenn ich mich als Zuschauer betrogen fühle, hat er alles richtig gemacht. Er hat Platz gemacht, weil er weiß, es wird keinen Nachfolger mehr geben. 16 Jahre hatte er Zeit, diese Boulevardmedien-verabscheuende Eminenz des deutschen Fernsehens zu werden (exklusive seiner Zeit bei dem längst vergessenen Musik- und Klingeltonsender Viva). 16 Jahre, so viel Zeit wird es im deutschen Fernsehen nicht mehr geben, für niemanden.

Und das wusste Stefan Raab, deswegen ging er jetzt, deswegen wird er immer unsere erste, große Liebe sein. Unvollständig, kindisch aber irgendwie prägend fürs Leben.

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