Seriendialog der Woche Soderberghs „The Knick“ ist nichts für zarte Gemüter

  • von Ulrike Klode
Krankenhausserie? Kostümdrama? Steven Soderberghs neue Serie "The Knick" ist beides. Und doch irgendwie anders: faszinierend modern und brutal. Ich muss gestehen: Ich habe am Anfang weggeguckt.

Heute: kein Dialog, sondern ein Trailer.

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Eigentlich wollte ich erst "Fargo" beenden, bevor ich mich der nächsten schweren Kost zuwende. Doch dann kam die Berichterstattung der amerikanischen und der deutschen Kollegen über eine neue Serie dazwischen. Ich habe in den vergangenen Tagen so viele spannende Dinge über Steven Soderberghs Werk "The Knick" gelesen, dass ich neugierig wurde - und mich entschied, schnell mal reinzuschauen.

Etwas erschöpft von einer anstrengenden Woche sitze ich also am Samstagabend mit einem Gin Tonic im Glas und meinem Mann neben mir auf dem Sofa und muss erstmal tapfer sein. Denn in den ersten Minuten von "The Knick" fließt sehr viel Blut aus dem Bauch einer hochschwangeren Frau - mitten in einem Hörsaal im Jahr 1900 unter den Augen von Männern in schwarzen Anzügen. Nichts für Zartbesaitete, und dabei ist es sogar nebensächlich, dass weder Baby noch Mutter überleben. Jetzt nicht falsch verstehen: Ich habe nichts gegen Arztserien, ich bin Fan von "Grey's Anatomy", "Chicago Hope" und "Scrubs". Und auch Splatterfilme gucke ich hin und wieder gerne. Aber diese Art der Inszenierung einer Operation in einem amerikanischen Krankenhaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist völlig neu für mich. Noch krasser ist die zweite OP-Szene gegen Ende der ersten Folge, als der Chirurg eine frühe Form der Rückenmarksanästhesie ausprobiert und einem Patienten in den Gedärmen herumwühlt.

Ich mag nicht nur Arztserien, sondern auch Clive Owen, der die Hauptrolle spielt: den Arzt Dr. John Thackery, der ein Visionär seiner Profession ist - zu einer Zeit, in der die meisten Patienten starben. "We now live in a time of endless possibility. More has been learned about the treatment of the human body in the last five years than has been learned in the previous 500", sagt er bei der Beerdigung seines Freundes und Vorgesetzten, der sich nach der gescheiterten experimentellen Operation an der Schwangeren das Leben genommen hat. Thackery ist davon besessen, die Medizin voranzubringen und gießt im Keller des Krankenhauses das von ihm entworfene Operationsbesteck schnell mal selbst, um es ausprobieren zu können. Eigentlich eine Figur, wie man sie aus vielen Arztserien kennt - Dr. Gregory House, Dr. Christina Yang oder Dr. Jeffrey Geiger. Und ja, auch Thackery scheint kein Privatleben zu haben und menschlich ein Arschloch zu sein. Das Reizvolle hier: Dass die Serie im New York des Jahres 1900 spielt. Und dass sie auch so gefilmt ist, dass die Hygieneprobleme dieser Zeit und damit auch der krasse Unterschied zwischen Arm und Reich sichtbar werden. Die Kamera, von Steven Soderbergh (dessen Werk ich übrigens auch mag) selbst dirigiert, erfasst das Geschehen fast immer von einem tiefen Blickwinkel und rückt so in bestimmten Szenen den Dreck ins Bild.

Ich könnte noch mehr ins Detail gehen, doch bevor mein Blogeintrag länger wird als die erste und einzige Folge, die ich gesehen habe, kurz mein erstes Fazit: spannend angelegt, interessant gefilmt (auch wenn mich die ständig wackelnde Kamera bei einigen Totalen stört), es könnte was werden zwischen Dr. Thackery und mir. Es wird auf jeden Fall ein zweites Treffen geben.

Wer ausführlichere Besprechungen zu diesem Experiment lesen will, dem kann ich folgende Texte empfehlen:
• The AV Club (sowieso immer lesenswert!) - "The Knick: 'Method and Madness'"
• The Slate - "Steven Soderbergh thinks he's got TV all worked out"
• New York Times - "No leeches, no rusty saw, but hell nontheless"

• Außerdem lohnt sich das ausführliche Interview der Kollegen von der FAZ mit Steven Soderbergh: "Wer ins Hospital kam, hatte gute Chancen zu sterben"

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Ergänzung am 10. August:
• Lars Weisbrod hat bei Zeit Online gerade eine lesenswerte Kritik veröffentlicht: "Die Moderne kommt per Kaiserschnitt zur Welt"
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Die Serie: "The Knick", Staffel 1. Krankenhausserie, die im Jahr 1900 spielt. Im Mittelpunkt steht Dr. John Thackery, gespielt von Clive Owen, der am Knickerbocker Hospital in New York zum Chefchirurg ernannt wurde. Der Mensch Thackery ist ein kokain- und opiumabhängiges Arschloch, der Arzt Thackery ist ein visionärer, begabter Chirurg, der hochangesehen ist. Regie führte Steven Soderbergh, der seit einiger Zeit dem Kino den Rücken gekehrt hat und jetzt mit seiner ersten Serie für Aufsehen sorgt. In den USA ist die Serie am 8. August beim Pay-TV-Sender Cinemax gestartet, in Deutschland stehen die Folgen einen Tag später über Sky zum Abruf bereit.

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