"Tatort"-Kritik Einmal Spargel süß-sauer

Thiels Vater unter Mordverdacht, Boerne doziert über die potenzsteigernde Wirkung von Spargel: Der Münster-"Tatort" nahm sich wieder viel Zeit für humoristische Einlagen - was, angesichts der Schwere der Themen, deplaziert wirkte.

Gewohnt komödiantisch beginnt der neue Münster-"Tatort" "Spargelzeit": In der ersten Szene ist Thiels Vater, der kiffende Taxifahrer, beim heimlichen Spargelstechen zu sehen. Dabei wird er von einer Polizeipatrouille entdeckt. Es folgt eine nächtliche Verfolgungsjagd über die Äcker - und der Dieb wird erwischt. Blöd für den alten Thiel, dass genau an diesem Abend die Gutsherrin tot aufgefunden wird - sie wurde mit einem Spargelmesser erstochen. So hält man zunächst den alten Zausel für den Mörder und nimmt ihn in Gewahrsam. Als sein Sohn am Unglücksort eintrifft, lässt er ihn erst einmal im Polizeiwagen schmoren. Denn der Kommissar hat noch eine alte Rechnung offen: "Mein Vater hat mich damals auch eingesperrt. 14 Tage - wegen 'ner piefigen Zigarette." So wandert der alte Herr in den Knast.

Ein lange schwelender Vater-Sohn-Konflikt ist wichtiger als die Aufklärung des Verbrechens: Das passt ganz ins gewohnte Bild. Denn der Münsteraner "Tatort" ist die Comedy-Variante in der Krimi-Reihe. Von Beginn an setzten die Folgen mit Hauptkommissar Thiel (Axel Prahl) und Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) auf Dialogwitz und Slapstick-Einlagen. Die eigentliche Krimi-Handlung ist dabei nur der Hintergrund für das Gagfeuerwerk, das Thiel und Boerne abbrennen. Insofern sind die besten Fälle die, in denen die Krimi-Handlung humoristisch überzeichnet ist oder ins Absurde abgleitet. Mal geht es um eine Jahrtausende alte Mumie, dann spielen die Fälle in versnobten Industriellenfamilien, reaktionären Studentenverbindungen oder in der Gruftie-Szene. Ein solches - ohnehin schon komisches - Mileu ist die ideale Folie für die Späße von Thiel und Boerne. Wer am Ende der Mörder war, interessiert dann nur am Rande - solange man sich gut amüsiert hat.

Boernes Potenztipps

Nun haben es die beiden also mit einer Toten auf dem Spargelhof zu tun. Um den Mörder zu finden, treiben sich Thiel und Boerne auf dem Gut herum, stoßen dabei jedoch auf wenig Gegenliebe: Witwer Martin Pütz (Jörg Hartmann) möchte seine Privatsphäre schützen. Und die für die Spargelernte angeheuerten Saisonarbeiter aus Polen und Rumänien mögen eh keine Polizei. So bleibt zunächst viel Raum für Frotzeleien unter den Kommissaren. Etwa wenn Boerne seinem Kollegen Thiel Potenztipps gibt: "Der Spargel könnte sehr helfen, wenn sich Ihr kleiner Hauptkommissar noch mal der Sonne entgegenstrecken will."

Doch dann wird es plötzlich ungewohnt ernst. Es kommt heraus, dass die 15-jährige Tochter der Ermordeten vor zwei Jahren vergewaltigt wurde. Hängt die unaufgeklärte Tat etwa mit dem Mord zusammen? Boerne nimmt Witterung auf und betätigt sich als Pferdeflüsterer, um sich das Vertrauen des Mädchens zu erschleichen. Angesichts eines solchen Verbrechens wirken Boernes Kaspereien deplatziert.

Währenddessen heuert Assistentin Nadeshda als Spargelstecherin an, um unter den Saisonarbeitern zu ermitteln. Die arbeiten unter harten Bedingungen und gegen eine äußerst geringe Bezahlung, zudem sind sie völlig isoliert, da sie von den Einheimischen als kriminelles Pack diffamiert werden. Über die Erlebnisse der Assistentin kommt ein ganz neuer Erzählstrang ins Spiel mit ernsthaften Problemen, denen mit den üblichen Münsteraner Kalauern nicht beizukommen ist. Die Mindestlohn-Debatte, das Schicksal von Wanderarbeitern, Ausländerfeindlichkeit, Vergewaltigung - all diese Themen werden zu einem Eintopf verrührt, jede Menge Witzchen drübergegossen und mit etwas Spargel garniert. Dass diese süß-saure Mischung nicht sonderlich mundet, kann kaum verwundern.

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