Was war das für ein Aufschrei, als Til Schweiger vor ein paar Jahren einmal laut darüber nachgedacht hat, den "Tatort"-Vorspann mit der berühmten Titelmelodie von Klaus Doldinger durch einen zeitgemäßeren Einstieg zu ersetzen. Gegen die Sonntagstraditionalisten hatte Schweiger keine Chance - sein "Tatort" beginnt wie seit 45 Jahren mit einem Paar blauer Augen im Fadenkreuz.
Das neue Frankfurter Team hat daraus gelernt und umgeht das Problem einfach. Sie zeigen zwar brav den klassischen Vorspann, doch dann beginnt der Film erst. Und nach wenigen Minuten erscheint ein eigenes, knalliges Intro, das ganz klar die Messlatte definiert, die sich dieser "Tatort" zum Ziel setzt: Nichts Geringeres als einen zeitgemäßen Großstadtkrimi wollen die Macher (Buch: Erol Yesilkaya, Regie: Sebastian Marka) hier vorlegen. Und tatsächlich lösen sie im Laufe der 90 Minuten ein, was der eigene rasant geschnittene Vorspann, mit aggressivem Electro unterlegt, auf der ästhetischen Ebene verspricht.
Insbesondere in der Gestaltung der Charaktere zeigt sich dieser "Tatort" auf der Höhe der Zeit, an den guten US-Serien orientiert: Sie sind nicht eindeutig als gut oder böse definiert, sondern ambivalent. Es gibt nicht die rechtschaffenen Polizisten und die bösen Verbrecher. Die Grenze läuft durch jeden Menschen hindurch. Unterschiede bestehen nur im Grad der Korrumpiertheit. Es ist manchmal nur ein kleiner Schritt auf die dunkle Seite.
Wie vertrauenswürdig ist Brix?
Bestes Beispiel ist Hauptkommissar Paul Brix (Wolfram Koch). Der hat bei einem Einsatz in Notwehr eine junge Frau erschossen. Allerdings nicht mit seiner Dienstwaffe. Vielmehr benutzte er eine Pistole, mit der vor Jahren ein Mord im Bordell geschah, bei dem auch der verdeckte Ermittler Simon Finger (Dominique Horwitz) beteiligt war. Doch der ist jetzt verschwunden, kurz nachdem er im Kommissariat aufgetaucht war und Brix um Hilfe gebeten hat.
Anna Janneke (grandios: Margarita Broich) hat also mehr als einem Grund, an der Redlichkeit ihres Kollegen zu zweifeln. Zumal Brix' früherer Chef Wolfgang Preiss (Justus von Dohnányi) weitere Verdachtsmomente streut.
Das erschwert die Lösung des eigentlichen Falls: Ein Lobbyist und ein Banker werden getötet. Beide stehen mit dem Freizeitpark "Fun City" in Verbindung, an dem sich die Russenmafia in Frankfurt über einen Fonds beteiligt, um Drogengeld zu waschen. Weil sie von der Mafia-Verbindung wussten, mussten die beiden Opfer sterben.
Jeder hat irgendwie Dreck am Stecken
Auch der verschwundene Ermittler Simon Finger hing mit drin: Er sollte den Russen gegen die Zahlung von einer Million Euro den Aufenthaltsort eines Kronzeugen verraten. Doch er pokerte höher, und wurde dafür von seinem Polizeikollegen Wolfgang Preiss aus dem Weg geräumt, der ebenfalls Dienste für die Mafia leistet.
Bis kurz vor Schluss weiß Anna Janneke nicht, wem sie glauben soll. Wer hier am ehesten zu den Guten, und wer zu den Bösen gehört. Ausgerechnet ihr undurchschaubarer Chef Henning Riefenstahl (Roeland Wiesnekker) bringt sie auf die richtige Spur.
Der Film zeichnet ein trübes Bild von der Polizei. Hier hat jeder irgendwie Dreck am Stecken. Welch ein Unterschied zu den meisten anderen "Tatort"-Teams, die im Gegensatz dazu aus biederen Beamten bestehen. Das Schlimmste, was die Drehbuchautoren in 18 Jahren dem Kölner Kommissar Freddy Schenk zugemutet haben, ist: Einmal war er drauf und dran, seine Frau zu betrügen.
Nein, so sauber wie Freddy Schenk kann man in der Frankfurter "Tatort"-Welt nicht bleiben. Oder wie es der korrupte Preiss am Ende sagt: "Früher oder später macht man sich die Hände schmutzig. Jeder von uns." Am Ende vernichten Brix, Jannecke und Riefenstahl gemeinsam Beweismaterial. Für die gute Sache, selbstredend.