Ein Wald, versunken im Schnee, eine Bärenfalle mit einem abgetrennten Fuß darin; er steckt noch in einem Schuh. Später dann: Eine Hand in einer Plastiktüte, die an der Tür eines Kürschners hängt. Und zum Schluss ein Kopf, der auf einem Schreibtisch liegt. Keines der Körperteile gehört zum gleichen Toten - und "Tatort"-Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) bekommt in der Rechtsmedizin den unheilvollen Satz zu hören: "Ein Bilderrätsel. Wenn es so weitergeht, kommen wir auf 20 Körperteile, bis die Figur zu erkennen ist."
Der Wald, in dem der Fuß gefunden wird, gehört der Gutserbin Maja Stevens (Susanne Wolf). Zusammen mit einer Clique von undurchsichtigen Snobs verbringt sie das Wochenende auf ihrem Anwesen. "Wir sind hart arbeitende Menschen und wollen uns hier nur etwas entspannen", sagt sie kurz nach dem Fund. Wie genau diese Entspannung aussieht, stellt Borowski nach einem Rundgang auf dem Gutshof fest: In einer Hütte wird ein ausgewachsener Bär gefangen gehalten. Offenbar veranstaltet die Gesellschaft illegale Bärenjagden mit eigens dafür angeschafften Tieren.
Borowski bleibt skeptisch
Weil die abgetrennte Hand einem Pelzhändler aus dem Umfeld der Jagdgesellschaft gehört, fällt der Verdacht schnell auf radikale Tierschützer. So verbreitet es der Staatsanwalt auch an die Medien, nur Borowski bleibt skeptisch. Bei der Durchsuchung des Anwesens findet er die krakelige Zeichnung einer Pyramide samt Abkürzungen und Zahlen. In seiner Ratlosigkeit wendet sich der Kommissar an Jochen Leonardt (Matthias Matschke), einen Ex-Kollegen aus dem Betrugsdezernat. Der aus dem Polizeidienst Geschasste erklärt Borowski, dass die Zeichnung den typischen Aufbau von betrügerischen Kettenspielchen zeigt - und den Mordermittler damit auf die richtige Spur führt.
Schneegedämpft kommen die Ermittlungen voran und es wimmelt in der "Tatort"-Folge "Borowski und der vierte Mann" von zwielichtigen, mehr oder weniger gescheiterten Existenzen, die alle mindestens ein Geheimnis mit sich herumschleppen. Diese undurchsichtige und angenehm langsam erzählte Konstellation erinnert nicht zufällig an die Thriller von Henning Mankell - der schwedische Erfolgsautor hat die Vorlage für diese Folge geschrieben.
Täter kommt wie Kai aus der Kiste
Bis kurz vor Schluss überzeugt diese atmosphärisch tolle "Tatort"-Folge, bis sie plötzlich und unerwartet Fahrt aufnimmt. Positiv ausgedrückt. Anders gesagt: Wie Kai aus der Kiste fällt unvermittelt der Name des Täters: ein Bestattungsunternehmer, der vorher noch nicht in Erscheinung getreten war. Der Mann will sich dafür rächen, dass er bei den Kettenspielen betrogen wurde. Fast wirkt es, als habe sich Regisseurin Claudia Garde irgendwann mit flachen Hand auf die Stirn geschlagen, um fluchend festzustellen: "So spät schon, und wir haben immer noch keinen Mörder!"
Borowski muss sich deshalb in den letzten Minuten ziemlich beeilen: Auf der Liste steht immer noch ein Name - es ist der Mann an der Spitze der Pyramide, der, der das ganze Geld einheimst. Und obwohl die Polizei sein Haus bewacht, liegt plötzlich sein Kopf auf dem Schreibtisch. Der Hauptverdächtige wird zwar kurz darauf gefasst, will aber nur zwei Morde begangen haben, nicht drei. Borowski macht sich also auf die Suche nach noch einem Täter und findet den Ex-Polizisten Jochen Leonardt. Der will ebenfalls dem Bandenkopf an den Kragen.
Viel Schnee und Kälte, viel Wald und Wild, Ruhe, ein spröder Ermittler, viele Verdächtige und gebrochene Gestalten - Henning Mankells skandinavisch-trüber Stil passt hervorragend nach Kiel, selbst die hauruckige letzte Viertelstunde stört nur ein wenig. Fans von Borowski und des Krimiautors können sich auf nächstes Jahr freuen, denn Mankell hat bereits eine zweite "Tatort"-Vorlage geschrieben, die im Frühjahr verfilmt werden soll.