Bis 2018 fand die "Victoria's Secret Fashion Show" jährlich statt. Höhepunkt war ab 2001 der Fantasy Bra, ein juwelenbesetzter BH im Wert von 2,5 Millionen Dollar.
Die Skandale um das einstige Dessous-Imperium Victoria's Secret nehmen nicht ab. Jetzt erheben zwei Models Vorwürfe gegen das Dessous-Label.
Jahrelang waren Josephine Skriver und Jasmine Tooker ein Rad im Getriebe des Victoria's Secret-Imperiums. Jetzt – vier Jahre nach dem Fall des weltweit größten Dessous-Labels – haben die Models ihr Schweigen zu den Machenschaften hinter der Kamera gebrochen. Im Podcast "Real Pod" mit Victoria Garrick haben die beiden über ihre Erfahrungen als Victoria's Secret-Engel berichtet und dem hinkenden Image der Marke einen weiteren Schlag verpasst.
Bis zur Unkenntlichkeit inszeniert
Dass eine Unterwäschefirma wie Victoria's Secret mit Photoshop bei Werbebildern nachhilft, um ihre Models in den eigenen Kollektionen so vorteilhaft wie möglich zu präsentieren, ist nichts Neues mehr. Doch Victoria's Secret soll es beim Griff in die Trickkiste haltlos übertrieben haben. Wie Tookes und Skriver erzählen, seien ihre perfekt inszenierten Bilder damals bis zur Unkenntlichkeit bearbeitet worden, so dass sie sich selbst nicht einmal wiedererkannt hätten.
Skriver sagt: "Manchmal fragte mich meine Mutter: 'Bist du das? Ich wusste nicht, dass du so aussehen kannst'." Sie hätte 30 Minuten lang neben der Plakatwand stehen können und niemand hätte sie erkannt. Auch Tookes bestätigt das. Beide seien 2012 und 2013 unter Vertrag genommen worden – in der Zeit, in der die sozialen Medien gerade einen enormen Aufschwung erlebten, erzählen sie. Fans der Fashion Show waren besessen darauf, mehr von den berüchtigten Victoria's Secret-Engeln zu erfahren und jedes Detail ihres Lebens zu kennen.
Victoria's Secret-Engel: Unerreichbare Vorbilder zahlreicher junger Frauen
Denn bis dato waren die Models für die Außenwelt nahezu unerreichbar gewesen, schwebten noch bis 2019 in den neuesten BHs und Slips mit überdimensional großen Flügeln pünktlich zur Weihnachtszeit über die Laufstege der renommierten "Victoria's Secret Fashion Show" und waren auf Werbeplakaten in den Metropolen dieser Welt zu sehen. Schaffte es ein Model auf die Modenschau, galt es als Elite der Modewelt. Damit war es Vorbild zahlreicher junger Frauen, die es für seine optische Perfektion und Makellosigkeit bewunderten und dem vermeintlichen Ideal nacheiferten. Und Social Media brachte sie dem Lifestyle der Models einen Schritt näher.
"Sie wollten wissen, welche Zahnpasta ich benutze", so Tookes. Immer noch würden Fans glauben, ihr Leben sei "einfach" und "perfekt". Doch Instagram sei nur eine Version ihrer selbst, sagt sie. "Wenn du mich morgens in meinem Haus aufwachen siehst, mitten am Tag, voll bespuckt vom Baby, kein Make-up, das ist mein echtes Leben", sagt Tookes, die im Februar zum ersten Mal Mutter geworden ist.
"Du merkst, dass alle Augen auf dich gerichtet sind"
Wenn man aus der Fashion-Welt komme, wisse man, wie "fake" alles ist. Man trage ein "Kostüm" aus Body-Make-up und werde so stark getunend, dass man sich selbst nicht mehr ähnele. Doch immer noch würden die Menschen nicht wissen, wie stark die Inszenierung wirklich ist. "Das ist so verrückt, da es für mich so offensichtlich ist, wenn ich alte Victoria's Secret-Kampagnen betrachte", betont sie.
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Auf die Frage, ob sie verstehen würden, welchen negativen Einfluss ihre Darstellung auf andere Frauen und Gesellschaft gehabt habe, sagt Skriver: "Es war eine komische Zeit, denn du merkst, dass alle Augen auf dich gerichtet sind." Dadurch hätte sie den damaligen Druck von Victoria's Secret nachvollziehen können. Als dann Social Media hinzukam, habe sie aber versucht, die "glamouröse Seite", für die sie bekannt waren, mit Aspekten wie "zweieinhalb Stunden Haare und Make-up" und Personal Trainer" nachvollziehbar zu machen. Denn ihr Körper und das makellose Aussehen seien alles harte Arbeit gewesen. Verstanden wurde dies zu damaligen Zeiten offensichtlich nicht. Doch jetzt – nach der Neuausrichtung der Firma und dem Wandel des gesellschaftlichen Idealbildes – habe man tatsächlich die Möglichkeit, den Leuten realistische Einblicke zu geben, erzählt sie.
Ex-Marketingchef: Transgender-Models und Plus-Size-Models haben bei Victoria's Secret "nichts verloren"
Dass Victoria's Secret für seine damaligen Machenschaften in Kritik gerät, ist nichts Neues mehr. Mit der Verbreitung der "Body Positivity"- und "MeToo"-Bewegung geriet das Unternehmen in den letzten Jahren immer stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit – auch aufgrund von transphobischen Aussagen von Marketingchef Ed Razek 2018, der im Gespräch mit der US-amerikanischen "Vogue" sagte, er buche keine Transgender-Models, da die Show "eine Fantasie" sei, in der diese "ebenso wie Plus-Size-Models nichts verloren hätten". Weltweit sorgte er mit dieser Aussage für Empörung, es war der Start des Untergangs von "Victoria's Secret".
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Leyna Bloom, die als erste Transfrau auf dem Cover von Vogue India erschien, schrieb damals auf Instagram: "Das ist der Moment, in dem die Masken fallen. Jetzt zeigt die Marke ihr wahres Gesicht und ihre Ansichten. Sie werden das in der Zukunft noch bereuen, wenn sie einsehen, was sie für einen Fehler gemacht haben. Wenn die Welt sich verändert hat und diese Veränderung überall gefeiert wird, dann wird Victoria's Secret kein Teil davon sein. Dieser Moment kann nicht mehr rückgängig gemacht werden."
Marke will Image rein waschen
2022 veröffentlichte der US-Fernsehdienst "Hulu" eine Dokumentation über die Geschichte des Dessous-Unternehmens. Unter dem Titel "Victoria's Secret: Engel und Dämonen" klärten die Macher detailliert über den Aufstieg und Fall des Labels auf. Von den negativen Schlagzeilen will das Label nun aber endgültig wegkommen.
Nach vier Jahren Pause ersetzt es seine weltbekannte Fashion Show mit der "The Victoria's Secret Tour" in Form eines Filmes, der 20 internationale Künstler und Designer aus aller Welt bei der Konzeption von vier Modeschauen in Bogotá, Lagos, London und Tokio begleitet. Ob es dem Unternehmen damit aber gelinkt, seine gebrochenen Flügel zu heilen, wird sich zeigen.