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Nobelpreisträger Malala und Kailash Verehrt, verschmäht, ignoriert in ihrer Heimat

Malala Yousafzai und Kailash Satyarthi sind Stars in der westlichen Welt, weil sie in Südasien für Kinderrechte kämpfen. Doch in ihren Heimatländern schlägt ihnen oft ein eisiger Wind entgegen.

Jeden Tag stapft Rozina Wali die drei Kilometer zwischen ihrem Haus und ihrer Schule den Berg hinauf. Seit zwei Jahren macht die 13-Jährige aus dem abgelegenen Ort Shangla im Nordwesten Pakistans das schon, mit einer Entschlossenheit, die so groß ist wie die Gipfel über ihr hoch sind. "Ich werde immer weiter nach Bildung streben, egal wie weit die Schule weg ist", sagt Wali. Ihre Inspiration dabei: Malala Yousafzai.

Malala kommt aus dem benachbarten Swat-Tal. Die 17-Jährige kämpft für das Recht von Mädchen auf Bildung, und wurde damit schon als Teenager zur Feindin der Taliban. Die Islamisten schossen Malala in den Kopf, doch sie überlebte, erhob weiterhin ihre Stimme, und bekommt dafür nun den Friedensnobelpreis. Rozinas Vater Zar Wali Khan beschloss deswegen, seine jüngste Tochter - anders als die ältere - auf die High School zu schicken.

"Wir alle wollen so sein wie sie"

Malala ist Vorbild für viele in der Region, die sich in der radikalen islamischen Gesellschaft Pakistans nicht wohlfühlen. "Sie ist toll", schwärmt etwa eine ihrer früheren Klassenkameradinnen, die aus Angst vor Vergeltungsschlägen der Taliban ihren Namen nicht nennen will. "Wir alle wollen so sein wie sie", sagt sie. Die Statistiken im Swat-Tal geben ihr Recht. 99.477 Mädchen gingen vor einem Jahr im Distrikt in die Schule, nun sind es etwa 140.000 Mädchen.

Doch hinter den Grenzen von Malalas bergiger Heimat ist das Klima ein anderes. Die Bildungsorganisation Alif Ailaan schätzt, dass nur die Hälfte der pakistanischen Kinder zur Schule geht. "Das ist vielleicht die niedrigste Rate weltweit", meint Alif-Ailaan-Direktor Mosharraf Zaidi. "Ich bin mir nicht sicher, ob der Staat und die Gesellschaft Malalas Botschaft verstanden und ausreichend gewürdigt haben", sagt er.

Vom Westen gekapert

Tatsächlich nehmen viele Pakistaner den Friedensnobelpreis als eine westliche Institution wahr - und lehnten ihn deswegen ab. Malala sei vom Westen gekapert worden, um deren "böse Pläne zu verbreiten", sagt etwa Samia Raheel Qazi, Kader der islamistischen Partei Jamaat-i-Islami. Aktivisten starteten auch eine Schmutzkampagne in sozialen Netzwerken wie Facebook. "Pakistan schätzt sie nicht so sehr wie der Rest der Welt", sagt die Anthropologin Samar Minallah.

Das sieht im großen Nachbarland Indien anders aus. Dort haben viele erst durch die Nobelpreis-Bekanntgabe erfahren, dass sie mit Kailash Satyarthi einen unter sich haben, der - auch auf internationaler Bühne - seit Jahrzehnten gegen Kinderarbeit kämpft. "Indien braucht oft den Stoß von außen, um zu merken, was es für Kapazitäten hat", sagt Benjamin Pütter, der im Auftrag des Hilfswerks Misereor viele Jahre mit Kailash zusammenarbeitete.

Indien kämpft gegen Kinderarbeit

Endlich finde sich das Thema Kinderarbeit auf den Titelseiten indischer Zeitungen, sagt er. Doch sei es noch lange nicht in allen Köpfen angekommen. Nachdem Kailash 1998 einen weltweiten Marsch gegen Kinderarbeit mitorganisierte, verabschiedete die #link;http://www.ilo.org/global/lang--en/index.htm;Internationale Arbeitsorganisation (ILO)# in Genf eine Konvention gegen die schwerste Form von Ausbeutung von Kindern. Doch diese hat Indien als eines der ganz wenigen ILO-Mitglieder nicht ratifiziert. "Das ist eine Sauerei", sagt Pütter.

Der indische Aktivist Amod Kanth ist nicht besonders zuversichtlich, dass sich das bald ändert. Die Gesetzesvorlage dafür, alle Arbeit für Kinder unter 14 Jahren zu verbieten, hänge im Parlament fest, sagt der Gründer der Kinderrechtsorganisation Prayas. "Und auch in dieser Sitzungsperiode erhielt sie keinen Vorrang."

Nun arbeiten die Kinder zu Hause

Tatsächlich würden jetzt wieder mehr Kinder etwa in der Teppichindustrie in Indien beschäftigt als noch vor ein paar Jahren, sagt Shanta Sinha, ehemalige Vorsitzende der #link;http://ncpcr.gov.in/;Nationalen Kommission zum Schutz der Kinderrechte# in Neu-Delhi. Satyarthi fokussierte sich bei seinen Befreiungsaktionen auf Fabriken, doch nun nehme die Zahl der arbeitenden Kinder in den eigenen vier Wänden zu. "Die Kinder machen zu Hause, zusammen mit ihren Eltern, Armreifen, Sandalen, Fußbälle, Kricket-Schläger", zählt Sinha auf.

Zwei dieser Jungs sind die Brüder Sameer, 13, und Sahil, 12. Am Rande der indischen Hauptstadt sitzen sie jeden Tag auf dem nackten Boden ihrer kleinen Einzimmer-Hütte im Halbdunkel und formen Federn für aufziehbare Spielzeuge - die sie sich selbst nicht leisten können. "Jeden Abend müssen wir arbeiten. Wir wissen, dass wir der Familie beim Geldverdienen helfen müssen. Aber wir würden lieber spielen", sagt Nadeem. Von Satyarthi haben sie noch nie gehört.

Zia Khan und Doreen Fiedler, DPA DPA

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