Miriam verliert unerwartet ihren Mann, lernt innerhalb weniger Monate einen anderen kennen und wird schwanger. Viel zu schnell für einige Menschen um sie herum. Aber wer bestimmt, was richtig ist? Guido spricht mit Miriam Emmermann, 47, über die Liebe.
Guido: Mehr als du kann man in so kurzer Zeit gar nicht erleben, oder?
Miriam: Das stimmt. Mein Leben hat sich innerhalb eines halben Jahres komplett gedreht. Mein Mann ist nach einem akuten Aorta-Riss und anschließender Operation gestorben, ich treffe meinen jetzigen Mann außerhalb des Krankenhauses wieder, und in dem Moment, wo wir sagen, okay, wir möchten es miteinander probieren, bin ich sofort schwanger. Mit 44.
Mathias, dein jetziger Lebensgefährte, war Michaels Arzt. Hast du vorher jemals gedacht, dass er mehr sein könnte?
Um Gottes Willen, nein, das ist ja eine völlig absurde Situation. Da war ich in einem ganz anderen Film. Aber er war jemand, der mit mir offen gesprochen hat. Bei den anderen Ärzten hatte ich immer das Gefühl, die trauen sich nicht, mir die ganze Wahrheit zu sagen. Michael lag neun Tag dort, und ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl. Aber mir wurde immer gesagt: Du musst Hoffnung haben.
Was hat Mathias anders gemacht?
Er hat mir so nach drei, vier Tagen gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Michael sterben wird, sehr hoch ist. Da konnte ich dann auch offen mit Carl reden, unserem Sohn, damals zwölf.
Wusstet ihr um die Erkrankung deines Mannes?
Nein, wir wussten das vorher nicht. Michael war an dem Tag arbeiten und fühlte sich nicht gut. Er ist abends zum Arzt gegangen und kam sofort ins Krankenhaus. Er rief mich noch kurz an und sagte: "Sie haben was gefunden." Ich wäre im Leben nicht drauf gekommen, dass es so schlimm sein könnte. Ich bin sofort ins Krankenhaus gefahren, da lag er schon im OP. Die Ärzte haben mir gesagt, es könne sehr lange dauern.
Hattest du da noch Hoffnung?
Nein. In dem Moment war mein altes Leben eigentlich vorbei. Es fühlte sich an wie eine Welle, die auf dich zurollt, und du stehst nur da und denkst: Okay, was mache ich jetzt?
Wann wusstest du dann, wie es um Michael steht?
Am nächsten Morgen kam erst der Anruf. Er musste dann an dem Tag noch zweimal operiert werden, weil die Blutungen nicht aufgehört haben. Das war am Dienstag, danach lag er im Koma.
Habt ihr beide jemals vorher darüber gesprochen, was in so einer Situation passieren soll?
Nein, aber ich wusste ja, dass Michael gern feierte, Menschen gemocht hat, einen großen Bekanntenkreis hatte. Er hätte nie und nimmer ein Leben führen wollen, in dem das nicht mehr möglich gewesen wäre. Ich sollte schließlich entscheiden, wann die Maschinen runtergefahren werden, denn eine Rettung gab es nicht. Als er dann starb, war ich bei ihm.
Furchtbar. Ich habe so eine Situation auch mal erlebt. Und obwohl man es kaum aushält, ist es doch auch auf eine Art tröstlich, dass man alles gemacht hat, bis zum Schluss. So habe ich es zumindest empfunden.
Ich bin sehr froh, dass ich das konnte. Ich habe ihm seine Musik vorgespielt und ihm bestimmte Dinge gesagt. Dass ich auf unseren Sohn aufpassen und mich um alles kümmern werde.
Wie ging es dir dann nach Michaels Tod, nachdem das erste Chaos vorbei war? Irgendwann kommt ja der Moment, in dem man realisiert: Jetzt bin ich allein.
Ja, es waren auch noch Sommerferien, Carl war weg, Freunde, die sich um mich gekümmert hatten, irgendwann auch. Aber diese Situation, in der du komplett allein bist, nimmt dir keiner ab. Ich habe einfach sehr viel geweint.
Und wie kam dann Mathias wieder in dein Leben?
Eine enge Freundin, die mich oft ins Krankenhaus begleitet hat, traf ihn zufällig in einem Restaurant. Ich hatte mich nach Michaels Tod von zweien seiner Ärzte, darunter Mathias, und seinem Hauptpfleger auf der Station verabschiedet, indem ich jedem einen Brief geschrieben und eine Flasche Champagner hatte zukommen lassen – Michaels Lieblingschampagner. Denn sie hatten sehr um sein Leben gekämpft. Mathias sagte zu meiner Freundin, er könne die Flasche doch nicht allein trinken. Und so machten die beiden eine Verabredung für uns drei in einem Restaurant.
Fandest du das nicht befremdlich?
Doch, irgendwie schon. Er hat zwar auf Station viel mit uns gesprochen, aber es war nie etwas Privates. Es gab nichts, was man hätte anders interpretieren können. Er sagte nur später mal zu mir, dass ihn der liebevolle Umgang mit meinem Mann sehr beeindruckt hätte.
Und dann habt ihr euch zu dritt getroffen?
Ungefähr vier Monate nach Michaels Tod.
Was war denn deine Intention, zu sagen, ich mach das? Öffnet man eine neue Tür?
Nein, in die Richtung habe ich überhaupt nicht gedacht. Ich weiß es auch nicht genau. Ich fand ihn nicht unsympathisch, ich dachte auch, vielleicht kann ich mit ihm noch mal über die Situation sprechen. Und ich hatte einfach nichts vor und habe gedacht, warum nicht? Nach dem Abend war ich schon ein bisschen durch den Wind. Mich hat total irritiert, dass ich so schnell wieder an einen anderen Mann denken konnte.
Hat dich das erschrocken?
Ja, total. Ich habe gedacht: Miriam du spinnst! Das ist nicht dein Typ, das ist völlig undenkbar. Das ist das Allerletzte, was du in deiner jetzigen Situation brauchst.
Weißt du, was er in der Situation gedacht hat?
Ungefähr dasselbe wie ich. Aber nachdem ich mich per Mail für das Essen bedankt hatte, fing er an, mir aus einem Urlaub in Italien zu schreiben. Harmlos und nett.
Hattest du ein schlechtes Gewissen gegenüber Michael? Du warst doch noch total in Trauer?
Ja, aber es war auch ein schönes Gefühl. Ich war aufgeregt und habe trotzdem sehr um Michael geweint. Aber ich habe mir immer gesagt: Ich bin in einer total verrückten Phase, ich kann eh nicht klar denken, und das tut mir jetzt einfach gut. Irgendwann haben wir uns dann noch mal getroffen und sind was trinken gegangen.
Hast du in der Phase mit jemandem darüber geredet?
Mit meiner Freundin, die im Krankenhaus dabei war – und auch mit einer anderen Freundin, die den Kontakt zu mir dann aber abgebrochen hat.
Aber deine Freundin aus dem Krankenhaus hat das genommen, die hat das verstanden, oder?
Bis zur Schwangerschaft ja, aber ab da nicht mehr. Ich war ja tatsächlich sehr kurz nach unserem Zusammenkommen schwanger. Ich bin ja nicht bescheuert, aber ich habe einfach nicht mehr damit gerechnet, dass wir in unser beider Alter noch so einfach ein Kind bekommen können. Mathias war ja schon 62.
Wie es zwischen Miriam und Mathias weiter ging, wie ihre Freunde reagiert haben und wie sie um ihren verstorbenen Mann getrauert hat, lesen Sie in der neuen "Guido", die seit dem 25. Oktober im Handel ist..
