Keine Frage, U2-Frontman Bono hat mit dem Kampf für eine bessere Welt ohne Aids und Armut längst eine viel größere Aufgabe übernommen, als die Fans "nur" mit guter Musik zu versorgen. Er verkauft ökologische korrekte Klamotten, predigt auf Wirtschaftforen, ermahnt Politiker und rief die "RED"-Kampagne ins Leben: Zusammen mit Giorgio Armani, Gap, Converse und American Express bietet die Kampagne Produkte an, deren Einnahmen größtenteils in einen Fond zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria fließen. So hat Bono dafür gesorgt, dass der Kampf gegen Aids in Afrika erstmals auch wahrhaftige Marketing-Power erhält. "Bono ist ein moderner Robin Hood. Er kämpft für die Unterprivilegierten", fasst Mitstreiter Bob Geldorf die karitativen Aktivitäten des irischen Rockers zusammen. Und "Time Magazine Man of the Year" Bill Gates sagt über Bono, dass der Musiker "das Herz am rechten Fleck trägt".
Willkommen in den Niederlanden
Umso erstaunlicher, dass Bono selbst in diesen Tagen in die Kritik seiner eigenen Anhänger gerät. "Bono ist ein Heuchler", wird ihm vorgeworfen. Und "Bono predigt Enthaltsamkeit, aber verhält sich wie ein Erz-Kapitalist", tuscheln die Editorials in den USA. Der Grund für die plötzliche Verstimmtheit liegt in Holland.
Genauer gesagt, im Steuerparadies Holland. Dem soll Bono samt Band nämlich seit einiger Zeit sehr zugänglich sein. Abgeguckt hat sich der Multimillionär das Refugium von seinen Kollegen Mick Jagger, Keith Richards und Co. Aber der Reihe nach: Die Rolling Stones verstehen es trotz zunehmenden Alters noch immer, ein Publikum zu begeistern. 450 Millionen Dollar setzte die Band im vergangenen Jahr mit ihrer Live-Tour um. Da könnten sich eigentlich die englische und auch die US-Steuerbehörde freuen. Doch die Manager der Band gingen auf die Suche nach einem angenehmeren Steuersatz. In den Niederlanden wurde man fündig: 1,5 Prozent statt rund 40 Prozent in England oder 39 Prozent in den USA. Da lacht das Jagger-Herz.
Das Gros der Einnahmen stammt aus Royalties
Nun verdienen auch Bono und U2 eine ganze Menge Geld mit ihrer Musik. Geld, das sie lieber auf den eigenen denn auf den Konten diverserer Steuerbehörden sehen. Auf rund 629 Millionen Euro soll sich der Nettoreichtum von Bono, The Edge und Co. belaufen. Das jedenfalls vermeldet die jährliche "Rich List" der Sunday Times in London. Die meisten Euros wanderten durch sogenannte Royalties auf die Konten der Bandmitglieder von U2. Das sind Einkommen, die sich aus Werbeverträgen, Auftritten, Patenten, Copyrights und anderen kommerziellen Abenteuern zusammensetzen.
Die niederländische Steueroase funktioniert ganz einfach: Royalties, die in eine holländische Holding fließen, sind von Steuern ausgeschlossen. "90 Prozent der Leute, die unsere Tax Shelter nutzen, tun es, um Steuern ganz zu vermeiden oder sie zu minimieren", sagt Ton Smit von den Tax Consultants in Rotterdam, einer Firma, die sich speziell um Promis, Sportler und multinationale Kooperationen kümmert.
Und was sagt Bono dazu, dass er seine Steuerbelastung und somit seinen sozialen Beitrag für die von ihm so angepriesene Gemeinschaft drückt, wo er nur kann? U2-Businessmanager Paul McGuinness kann keinen Widerspruch entdecken: "U2 ist ein multinationales Unternehmen. Wir operieren auf der ganzen Welt. Da ist es doch völlig normal, dass wir uns die bestmöglichen Steuergesetze raussuchen", so der smarte Ire, der unlängst das wohl lukrativste Element des U2-Kuchens, der Song-Katalog mit Hits wie "Where the Streets have no Name" und "It's a Beautiful Day", von seiner Firma in Dublin an die Promogroup in Amsterdam überschrieben hat.
Bono selbst, sonst immer sehr gesprächig, wenn es um wirtschaftliche Ungerechtigkeiten geht in der Welt, winkt ab, wenn er auf seine Steuertricks angesprochen wird. "Dafür haben wir einen Business-Manager", sagt der 46jaehrige Musiker und lächelt dabei verschmitzt. Als wolle er sagen, dass auch Rocker ein Recht auf finanzielle Spitzfindigkeit haben.