Schriftstellerin und Frauenrechtlerin "Mehr Stolz, ihr Frauen!": Wie Hedwig Dohm zu einer Pionierin der Frauenbewegung wurde

Die Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Hedwig Dohm
Die Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Hedwig Dohm forderte als eine der Ersten 1873 das Wahlrecht für Frauen
© Bifab / Picture Alliance
Hedwig Dohm war eine frühe Vordenkerin des Feminismus. Als eine der Ersten forderte sie schon 1873 das Stimmrecht für Frauen. Außerdem setzte sie sich für eine umfassende Bildungsreform und das Frauenstudium ein. Google ehrt die Schriftstellerin mit einem Doodle.

Hedwig Dohm gilt als Pionierin der Frauenbewegung. Die älteste Tochter des Tabakfabrikanten Gustav Adolph Schlesinger und von Wilhelmine Henriette Jülich kommt am 20. September 1831 in Berlin als Marianne Adelaide Hedwig Dohm zur Welt. Sie ist das vierte von 18 Kindern. Während ihre Brüder eine gute Ausbildung auf dem Gymnasium genießen, muss sie schon als 15-Jährige die Mädchenschule verlassen, um im Haushalt zu helfen. Stundenlang habe sie in einem dunklen Zimmer die Wiege der kleinen Geschwister geschaukelt, Tag um Tag Strümpfe gestrickt und gestopft, wie sie sich später erinnert. Zwar darf sie drei Jahre später immerhin ein Jahr lang ein Lehrerinnenseminar besuchen ("Es war fürchterlich, ein reines Flügelknicken"), doch den Zugang zu intellektuellen Kreisen erhält sie erst, als sie als 22-Jährige im März 1853 den zwölf Jahre älteren Ernst Dohm heiratet, damals Chefredakteur der Satire-Zeitschrift Kladderadatsch. 

Das Paar bekommt zwischen 1854 und 1860 fünf Kinder, wobei das erste – ihr einziger Sohn – im Alter von elf Jahren an Scharlach stirbt. Hedwig Dohm sorgt dafür, dass alle Kinder eine gute Ausbildung bekommen. Ihre Tochter Hedwig macht sie später zur Großmutter von Katia Mann, der Ehefrau von Schriftsteller Thomas Mann. Das Zuhause der Dohms wird ein beliebter Salon, in dem sich bekannte Persönlichkeiten treffen, darunter Alexander von Humboldt, Franz Liszt oder Theodor Fontane. Ihre fehlende Bildung holt die neugierige und wissbegierige Frau nach. Dass sie eine bemerkenswerte Autodidaktin ist, wird spätestens klar, als sie 1867 mit Mitte 30 ihr erstes Werk veröffentlicht – eine 600 Seiten starke Abhandlung über die spanische Literatur-Geschichte. 

Hedwig Dohm fordert 1873 das Stimmrecht für Frauen

Doch sie und ihr Ehemann werden zunehmend von Geldsorgen geplagt. Ernst Dohm verdient zu wenig, um die wachsende Familie zu unterhalten. Immer wieder steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür. 1869 spitzt sich die Situation so sehr zu, dass Ernst Dohm die Schuldhaft droht und er nach Weimar flieht. Während die Kinder zu Verwandten gegeben werden, zieht Hedwig Dohm für ein Jahr alleine zu ihrer Schwester, der Malerin Anna Schleh, nach Rom.  Zurück in Berlin publiziert sie politische Essays. Ihre klugen, scharfsinnigen und witzigen Texte machen sie zu einer viel beachteten Stimme. In "Was die Pastoren von den Frauen denken"? (1872), "Der Jesuitismus im Hausstande" (1873) und "Die wissenschaftliche Emanzipation der Frau" (1873) greift sie schlagfertig und ironisch die "Herrenrechtler" an, vor allem Pastoren und Ärzte, die der Frau jedes Recht auf Eigenständigkeit absprechen. Zudem schreibt sie mehrere Lustspiele, die in Berlin mit Erfolg aufgeführt werden. Später kommen auch Romane und Novellen hinzu.

1873 ist sie eine der Ersten, die das Wahlrecht für Frauen fordern. Sie schreibt: "Die Frauen haben Steuern zu zahlen wie die Männer, sie sind verantwortlich für Gesetze, an deren Beratung sie keinen Anteil gehabt; sie sind also Gesetzen unterworfen, die andere gemacht." Sie folgert: "Das nennt man in allen Sprachen der Welt Tyrannei, einfache, absolute Tyrannei. Sie mag noch so milde gehandhabt werden, sie bleibt Tyrannei. Die Frau besitzt, wie der Sklave, alles, was man ihr aus Güte bewilligt." Sie prangert auch die Scheinheiligkeit der Gesellschaft an, die den "bürgerlichen" Frauen die Arbeit außer Haus verwehrt, die Arbeiterinnen aber ohne Rücksicht auf ihr "zartes weibliches Wesen" bis zum Umfallen in den Fabriken schuften lässt. Als sie schon in ihren Siebzigern ist, rät ihren Geschlechtsgenossinnen: "Mehr Stolz, ihr Frauen! Der Stolze kann missfallen, aber man verachtet ihn nicht. Nur auf den Nacken, der sich beugt, tritt der Fuß des vermeintlichen Herrn!" 

Hedwig Dohm stirbt im Alter von 87 Jahren am 1. Juli 1919 in ihrer Wohnung in der Berliner Tiergartenstraße. Nur wenige Monate zuvor – am 12. November 1918 – wird auch das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Google ehrt die Schriftstellerin anlässlich ihres Geburtstages am Mittwoch mit einem Doodle.

Louisa Dellert
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© stern/Carolin Windel
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