Die Farbe Pink Sind wir jetzt alle ein bisschen Barbie? Wie Pink zum Symbol für Feminismus wurde

Margot Robbie spielt in "Barbie" die Titelfigur.
Margot Robbie spielt in "Barbie" die Titelfigur
© Warner Bros. Entertainment Inc.
Pink verhalf der berühmtesten Plastikpuppe der Welt zum Erfolg – doch für die Farbe tat die Barbie wenig. Die wurde trotzdem zum Symbol des Feminismus.

Wer darf zuerst in die Schachtel? In einem Hamburger Modegeschäft hat sich eine Schlange um eine pinke Box gebildet. "Barbie" steht in großen Lettern darauf, es ist der lebensgroße Nachbau ihrer Verpackung. "Nur noch ein Bild!", ruft eine junge Frau im rosafarbenen Blazer und wirft sich in Pose. Brust raus, den Kopf schräg, die Lippen gespitzt und leicht geöffnet. Die Freundin macht ein schnelles Foto von ihr, der Schmollmund-Barbie, die wartenden Mädchen, ebenfalls in Pink gekleidet, verdrehen genervt die Augen.

Die Welt ist im Barbie-Fieber. Karl Lagerfelds Stilregel "Think pink but don't wear it" scheint vergessen, seit Wochen hängen die Läden voll mit Fummel in Fuchsia und Miniröcken in Rosa. Es gibt sie bei Modefilialisten, ebenso bei Luxusmarken. Kaum jemand kommt vorbei am rosaroten Modetrend mit dem klangvollen Namen "Barbie-Core". Auch fern der Mode spielt Pink gerade eine Rolle: Die Urlaubsplattform Airbnb verloste Übernachtungen in einer Kaugummifarbenen Traumvilla in Malibu. Sogar der argentinische Fußballstar Lionel Messi trägt die Farbe. Für seinen neuen Verein Inter Miami steht er nun in Pink auf dem Platz. Da liegt die Frage nah: Sind wir jetzt alle ein bisschen Barbie?

1959: Erste Barbie – hier unter dem Namen "Mattel"
Erst vier Jahre später kam die Barbie auf den nationalen Markt. Die Puppe aus dem Hause Mattel gab es in blond und brünett mit Pferdeschwanz und lockigem Pony. Die erste Barbie war noch steif, konnte lediglich hingesetzt werden. Wie die Bild-Lilli war die Barbie deutlich fraulicher als die späteren Versionen, trug kräftiges Make-up und fiel durch ihren Schmollmund auf. Einige Zeit später gab es die Barbie auch mit anderen Haarfarben und Frisuren, zum Beispiel mit offenen und glatten Haaren. Sie kostete damals drei US-Dollar.
© IMAGO / agefotostock

Barbie kratzte am Image der Farbe

Tatsächlich sieht es gerade so aus, als verhelfe der Film über die berühmteste Plastikpuppe der Welt der Farbe Pink zu neuer Strahlkraft. Immerhin ist das Schicksal beider eng miteinander verbunden: Seit ihrer Erfindung in den 1950er Jahren tauchte Barbie immer wieder in jeder Nuance von Rosa bis Fuchsia auf. Doch die Puppe stand für ein Schönheitsideal, das Frauen vorgaukelte, sie müssten groß, schlank und stupsnasig sein. Sie degradierte sie zu hübschen Anhängseln. Die US-Schauspielerin Jayne Mansfield sagte einst: "Männer wollen, dass ein Mädchen rosa trägt, hilflos ist und tief durchatmet." Zwar stand Pink Barbie stets gut zu Gesicht, doch für die Farbe tat sie wenig.

Die Puppenhilfe hat Pink auch nicht nötig. Zwar kratzte Barbie mit ihrem antifeministischen Auftreten am Image des Tons, doch es gibt ihn seit Jahrhunderten, er überstand Höhen und Tiefen. Längst etablierte er sich auch als politisches Statement. "Pink ist die Farbe der Abgrenzung und des Widerstands", sagt Barbara Nemitz, Kunstprofessorin an der Bauhaus-Universität Weimar und Autorin des Bildbandes "Pink". Die Farbe stehe heute symbolisch für den Feminismus. Das zeigte sich auch 2017 mit den Women's Marches. Weil Ex-Präsident Donald Trump damit prahlte, jeder Frau zwischen die Beine fassen zu dürfen, gingen Frauen weltweit auf die Straße. Um ihren Protest mit einem Symbol zu unterstreichen, trugen sie Mützen mit aufgestellten Katzenohren, die auf das weibliche Genital anspielen sollten. Die Farbe der Kopfbedeckungen: Pink.

Frau mit pinker Pussyhat-Mütze bei den Women's Marches 2017
Pinker Protest: Eine Frau mit Pussyhat-Mütze bei den Women's Marches 2017
© Picture Alliance / Picture Alliance

Pink als Protest

Fortan setzten viele Designer auf Nuancen von Blassrosa bis Neon-Magenta. Pink zu tragen, wurde zum Statement selbstbewusster Frauen. Mit Kitsch und Mädchenträumen hatte es nichts mehr gemein. Dass ausgerechnet Donald Trump mit seinen sexistischen Äußerungen den Imagewechsel anstieß, passt zur ambivalenten Geschichte der Farbe. Sie stand schon immer für Gegensätze.

So war Blau einst die Farbe der Mädchen, weil sie mit der heiligen Jungfrau Maria verbunden wurde. Rot dagegen stand für Kampfgeist, sogar für Aggression – und wurde von Männern getragen. Gemälde aus der Zeit der Renaissance bis ins 20. Jahrhunderts zeugen davon. So hatte etwa der italienische Philosoph Niccolò Machiavelli im frühen 16. Jahrhundert eine klare Vorstellung davon, wie sich Männer kleiden sollten. Sein Tipp: "Zwei Meter pinkfarbenen Stoffs formen einen Gentleman". Claire Wilcox, Kuratorin am Londoner Victoria & Albert Museum, sagt dazu: "Die Farbe Pink stand damals für Macht – und vor allem für Männlichkeit." Sie galt als das "Kleine Rot" und wurde als abgeschwächte Form von Blut, Kampf und Männlichkeit verstanden. Noch heute werden in Japan die gefallenen Soldaten geehrt, wenn zur Kirschblüte rosa Blätter von den Bäumen rieseln.

Symbol der LGBTQ+-Gemeinschaft

Die Farbe ist seit den 1970ern auch das Erkennungszeichen der LGBTQ+-Gemeinschaft. Die Wahl geht zurück auf die Rosa Winkel, jene Dreiecke aus der Zeit des Nationalsozialismus, die schwulen Häftlingen in Konzentrationslagern angesteckt wurden. Statt das Stigma auszublenden, machte es die queere Community zu ihrem Symbol.

Dass Pink einst zur Farbe der Frauen wurde, ist eine Entwicklung, die erst Ende des 19. Jahrhunderts eintrat. Sie war weder modisch noch politisch motiviert, sondern hatte rein praktische Gründe. Damals entdeckte die Industrie den Blaumann als Arbeitsklamotte. Es führte dazu, dass die altbewährte Kleiderordnung umgedreht wurde.

Heute, in Zeiten genderfluider Mode und verschwimmender Grenzen zwischen Männern und Frauen, ist Pink zur geschlechtsneutralen Farbe geworden. Kein Ton symbolisiert diesen Zeitgeist besser. Längst ist er massentauglich und für alle tragbar. Dass ausgerechnet der Barbie-Film die Farbe neu belebt haben soll, klingt daher wie ein Missverständnis. Zwar ist eine regelrechte Hysterie entstanden, aber sie basiert eher auf geschicktem Marketing. Man kann nur hoffen, dass das Barbie-Fieber schnell wieder abklingt. Der Farbe Pink kann es egal sein. Sie hat schon ganz andere Kapriolen überstanden.

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