Helge Schneider Happy Birthday, Alter!

Er wird ein Fass Bier kaufen und mal gucken, was so passiert. Immerhin wird er 50, bekommt graue Haare und ist Opa geworden. Helge Schneider ist Komiker, Musiker und sehr eigenartig. Er sagt: "Wenn man alt ist, ist man lustiger".

Eines ist nämlich wichtig: Wenn du einen Clown triffst, musst du ihn ernst nehmen. Sich ständig zu fragen, ob man womöglich gerade auf den Arm genommen wird, ist kleinlich und doof und außerdem egal. Weil Clowns alles ernst meinen und es ihre Gabe, na ja, und manchmal auch ihr Schicksal ist, dass sie nicht einfach ihre Lesebrille aufsetzen können, ohne dass jemand darüber lacht.

Helge Schneider weiß, dass er nicht einfach seine Lesebrille aufsetzen kann, ohne dass jemand darüber lacht. Er hat die Brille noch nicht lange. Wenn Komiker erste Alterserscheinungen zeigen, fragt man sich, ob das noch zum Lachen ist. Seit vier Monaten ist Helge Schneider Opa.

"Auf der Bühne altert man nicht. Die Leute sehen mich ja ständig", sagt er. In seinem Gesicht gibt es einige Falten und nicht nur vom Lachen, der Bart ist mehr grau als rot. Helge Schneider wird am 30. August 50, und er sagt, dass ihm Salat am Abend nicht mehr gut bekommt und dass seine derzeitige Freundin Single ist, so wie er auch.

Natürlich, so ist es ja irgendwie immer, hat sich Helge Schneider seinen Beruf ausgedacht, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Rothaarig und klein. Mit Eltern, für die er sich lange geschämt hat. Seine Mutter war gehbehindert, sein Vater hatte einen Buckel und war nur einsvierzig groß. "Der hatte aber trotz Buckel und geringer Körpergröße eine große Persönlichkeit. Und später war ich stolz, denn so einen Vater hatte kein Mensch auf der Erde. Außerdem zählten zu seinen vielen Freunden auch viele Frauen", sagt Helge Schneider, der entweder lustig oder Musiker werden musste. Er wurde beides und damit berühmt und sang irgendwann: "Ich bin nicht attraktiv, dafür aber auch nicht langweilig."

Helge Schneider findet jedes Wetter gut, und er findet es gut, alt zu werden. "Je älter ich werde, desto besser wirkt mein Beruf. Wenn man alt ist, ist man lustiger, weil die Diskrepanz zwischen Weisheit und Quatsch größer wird." Eine gewisse Wildheit sei ihm wohl in die Wiege gelegt worden, nicht funktionieren zu wollen, sich abzugrenzen, immer und fast zwanghaft. Seinen Hit "Katzeklo" singt er erst neuerdings wieder als Zugabe, seit das Publikum nicht mehr danach verlangt und nicht mehr damit rechnet.

"Wenn die Leute was von mir erwarten, dann mache ich das nicht. Das ist anstrengend, aber am Ende des Lebens wird man dafür belohnt." Was er erreichen wollte, hat er erreicht: nicht verglichen zu werden. "Ich habe keinen Stil. Ich bin ich selber." Und übrigens sei das vielleicht das letzte Interview, das er gebe. Das Wetter. Das Herz.

Und noch mehr hat Helge Schneider dem fortschreitenden Alter zu verdanken: Dass er seine Selbstzweifel zwar nicht verloren hat, dass sie aber aufgehört haben, ihn zu quälen. "Viele Ängste habe ich verloren, seit ich mich mit den Kindern auf eine Stufe stelle." Aus Erfahrung weiß er mittlerweile, dass er sich auf sich verlassen kann. Er rechnet fest mit seiner Improvisationsgabe, vertraut auf den Moment, und es schreckt ihn nicht mehr, dass er vor keinem Auftritt weiß, was auf der Bühne passieren wird. Außer, dass ihm nichts passieren kann.

Und er hat die Erkenntnis gewonnen, "dass die Leute, die ich liebe, für sich selbst verantwortlich sind". Das sagt er zögerlich und schwermütig, denn er findet nicht, dass die Leute, die er liebt, auch immer verantwortlich mit sich umgehen. Weil Helge Schneider ein großes Herz hat und von Frauen viel, aber von Eifersucht wenig hält, ist sein Privatleben mit vier Kindern von drei Müttern nicht ganz so harmonisch, wie er es gern hätte. "Mit Frauen habe ich eigentlich keine Probleme", sagt er. "Es ist doch ganz einfach: Wenn man sich liebt, dann liebt man sich sowieso. Und wenn nicht, dann liebt man sich sowieso nicht."

Eifersucht helfe da ja im Grunde niemandem weiter. Zudem er das sei, was man "eine treue Seele" nennt. Dabei liegt die Betonung auf "Seele". "Mittlerweile denke ich, man kann ja auch mal was anderes machen, als zu poppen. Basteln zum Beispiel." Trotzdem wünscht er sich zu seinem 50. Geburtstag wieder, wie jedes Jahr, und wie jedes Jahr vergebens, "dass die Leute, die ich liebe, sich auch lieben".

Er trinkt seine Schorle wie ein ganz normaler Mensch. Die Leute am Nebentisch gucken trotzdem so, als würde er Quatsch machen. Helge Schneider hat in seinem Leben nichts getan, um etwas anderes damit zu erreichen. Keine Taktik, keine Umwege auf der Strecke zum fernen Ziel. Er macht immer sofort das, woran er glaubt. Und hört auch nicht auf damit, solange er daran glaubt. Die vielen Auftritte vor drei Leuten in tristen Gemeindesälen waren für ihn kein Grund zum Grübeln. Warum sich fragen, was die Leute haben wollen, wenn man doch genau weiß, was man geben will? Einfach weitermachen. Was auch sonst.

Als der Erfolg

sich schließlich einstellte, war Helge Schneider nicht erstaunt. "Ich fand's ja selber toll", sagt er. Sein Reiseroman "Globus Dei", für den er keinen Schritt vor die Tür gesetzt hat, ist mit 125.000 verkauften Exemplaren ein Bestseller. Durchaus verdient, wie der Autor findet, "denn das Buch ist wirklich gut, und ich hoffe, dass es noch mehr Leute lesen werden. Es sind Botschaften darin: zum Beispiel, dass es gar nicht so wichtig ist, mal in New York gewesen zu sein. Man braucht sich da nicht verrückt machen zu lassen. Außer bei mir zu Hause ist es sowieso überall wie in Amerika."

Helge Schneider lebt in seinem Geburtsort, in Mülheim an der Ruhr. Er reist selten und fliegt nie. Nicht aus Angst, sondern um seinem Leben ein Tempo zu ersparen, das er nicht für angemessen hält. "Wenn du fliegst, dann bist du in der Lage, an einem Tag drei Termine in drei verschiedenen Städten wahrzunehmen. Damit wollte ich erst gar nicht anfangen. Da hast du ja nur noch Stress."

Er zieht es vor, die Wege, die er zurücklegt, persönlich kennen zu lernen. Und ansonsten gefällt es ihm derzeit besonders gut in seinem Garten an seinem Teich. "Da schaue ich gern drauf. Kann sein, dass der bald umkippt. So was kann passieren. Zurzeit gibt's starke Algenbildung." Er schaut versonnen. "Ich muss noch Steuern nachzahlen für die letzten drei Jahre. Irgendwie kommt so was ja dann doch immer unerwartet."

Helge Schneider hält sich

selbst für gutmütig mit leichtem Hang zum Trotteligen. Erst neulich hat er für einen Teil seiner unübersichtlichen Familie ein Haus gekauft. Der Besitzer erschien ihm derart sympathisch, dass er auf eine eingehende Besichtigung verzichtete. Jetzt setzten sich die Anwälte mit der Angelegenheit auseinander, und Schneider sagt: "Ich bin kein misstrauischer Mensch und will das auch nicht werden."

Wohlwollen, Missfallen, Unlust, Peinlichkeit äußert er meist ehrlich und undiplomatisch und sofort. Wenn ihm das Fotomotiv nicht zusagt, werden die Aufnahmen abgesagt. Wenn er keine Lust hat zu reden, gibt's kein Interview. Wenn er nett sein will, ist er nett, ansonsten eben nicht. Das ist anstrengend, kann verletzend sein, aber man muss sich nicht fragen, ob er einen verarscht. Ständig. Oder nie. Egal. "Ich kann nicht auf Kommando ernst sein", sagt Schneider und schaut ernst.

Was ihn derzeit am allermeisten beschäftigt, sind seine Orgeln. Die alte. Und die neue. Mit der neuen will er bald auf Tournee gehen. "Über meine Orgeln denke ich viel mehr nach als über meine Frauen. Für Menschen kann man nicht mitdenken. Für Orgeln schon." Und ansonsten sagt er, dass er immer noch die Luft anhält, wenn fremde Menschen an ihm vorbeigehen.

Nur Spaß?
Egal.

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Ildikó von Kürthy

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