Maria Callas Vom Pummelchen zur Jet-Set-Lady

Von Björn Woll
Ihre Stimme wurde geliebt, ihre Launen waren gefürchtet: Maria Callas prägte den Ausdruck Diva. 30 Jahre ist es her, dass ihre Stimme endgültig verstummte. Würde sie heute noch leben, ihr Privatleben wäre Thema in allen Klatschspalten.

Sie war die unantastbare Königin der Oper und ist bis heute die bekannteste Sängerin aller Zeiten. Doch trotz aller künstlerischen Erfolge blieb Maria Callas das Glück im Privaten meist verwehrt, und nicht selten hatte ihr Leben eine frappierende Ähnlichkeit mit dem der tragischen Opernheldinnen, die von ihr so vollendet auf der Bühne dargestellt wurden. Am 16. September jährt sich ihr Todestag zum 30. Mal.

Anzahl der Mythen und Legenden sind oft ein verlässlicher Gradmesser für die Berühmtheit einer Person. James Dean und Marilyn Monroe sind dafür formidable Beispiele. Ebenfalls fördernd für die Entstehung eines Starkultes: ein früher oder mysteriöser Tod. Im Fall Romy Schneiders tauchte so immer wieder die Frage auf, ob es sich bei ihrem Ableben nun um Herzversagen oder doch eher um einen Selbstmord gehandelt habe. Spekulationen wie diese gab und gibt es auch im Fall von Maria Callas. Bereits zu Lebzeiten war die Operndiva eine Legende - laut einer Umfrage war sie damals bekannter als Liz Taylor - und wurde nach ihrem Tod am 16. September 1977 endgültig zum Mythos verklärt. Und selbst heute gibt sie immer noch Anlass zu neuen Mutmaßungen über ihr Leben. So ist es erst wenige Jahre her, dass Nicholas Gage in seiner Callas-Biografie "Griechisches Feuer" enthüllte, dass die Diva im Zug ihrer Affäre mit Aristoteles Onassis einen geheimen Sohn zur Welt gebracht haben soll, der wenige Tage nach der Geburt allerdings verstorben sei. Ganz neu war dieses Gerücht nicht, denn schon Arianna Stassinopoulos, Callas-Biografin der ersten Stunde, erwähnt in ihrem Buch eine vorgenommene Abtreibung.

Polizisten mussten ihr den Weg ins Theater bahnen

Ist der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen auch anzuzweifeln, so zeigen sie doch eines: Bis heute ist die magnetische Wirkung, die Maria Callas auf ihr Publikum ausübte, nahezu ungebrochen. Dabei wurde sie keineswegs von allen verehrt und hat immer wieder Kontroversen ausgelöst. Waren die einen von der Dramatik ihres Gesangs begeistert, wurde ihre Stimme von den anderen schlichtweg als hässlich verspottet. Immer, wenn diese beiden Lager aufeinander trafen, spielten sich tumultartige Szenen ab. So geschehen bei einer Aufführung von "Anna Bolena" an der Mailänder Scala. Kurz zuvor stand die gesundheitlich angeschlagene Sängerin in Rom als Norma auf der Bühne und konnte trotz medikamentöser Behandlung die Vorführung nicht zu Ende singen. Als sie anschließend nach Mailand kam, musste sie auf dem Weg ins Theater von Polizisten eskortiert werden, vor ein Publikum, das nach Blut gierte. Als sie die offene Feindschaft der Zuschauer zu spüren bekam, konterte sie auf ihre ganz eigene Art und Weise. Am Ende des ersten Aktes schritt sie für ihre Worte "Richter! Gegen Anna! Richter!" an den Bühnenrand und schleudertet sie als Anklage ins Auditorium - und das Publikum unterlag ihrem Mut.

Für Aristoteles Onassis gab sie die Musik auf

Auftritte wie dieser waren es, die ihr den Spitznamen "Die Tigerin" einbrachten und weswegen ihr der Ruf einer launenhaften Diva vorauseilte. Fortan wurde jeder ihrer Schritte argwöhnisch beobachtet und jede Absage zum Skandal gepuscht - die Operndiva war titeltauglich geworden für die Cover der Boulevard-Medien. Als sie 1959 von Aristoteles Onassis zu einer Kreuzfahrt auf dessen Yacht eingeladen wurde, bahnte sich schnell eine Liebesbeziehung zu ihrem griechischen Landsmann an. Das prekäre daran: Beide waren zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet. Wenig später trennte sich Maria Callas von ihrem Ehemann, mit dem sie eine leidenschaftslose Beziehung verband, und auch Onassis verließ seine Frau für die berühmte Opernsängerin. Endlich das private Glück in Händen haltend, trat die Musik zum ersten Mal in ihrem Leben in den Hintergrund, und sie träumte von einer gemeinsamen Zukunft mit Onassis. Als dieser 1968 jedoch Jackie Kennedy heiratete, startete sie einen Comeback-Versuch auf die Opernbühne - trotz der stimmlichen Probleme, die sich immer stärker bemerkbar machten. Ihr Publikum liebte sie dennoch und begleitete jeden ihrer Auftritte mit frenetischem Jubel.

Ihre Stimme glich einer physischen Berührung

Doch woher kommt die bis heute ungebrochene Faszination an einer Sängerin, deren Aufnahmen selbst nach 50 Jahren nichts von ihrer Aktualität eingebüsst haben? Denn noch immer ist sie es, an der alle Nachfolgerinnen sich messen lassen müssen. In regelmäßigen Abständen werden junge Sängerinnen wie Anna Netrebko als neue Callas gehypt - und können das Versprechen letztendlich nicht einlösen. Viele davon haben schöne Stimmen, sind begabt und sehen gut aus. Doch selten ist man von ihrem Gesang wirklich berührt, während Callas' Darstellung den Hörer leiden, bangen, zittern oder hoffen lässt. Dabei empfindet man ihre Stimme oft sogar als geradezu physische Berührung. Dann kann man ihn hören, den spezifischen Callas-Klang, der wie ein emotionales Kaleidoskop mitten ins Herz trifft. Ein Klang voller Hingabe, der weit über die objektive Bewertung als schön oder hässlich hinausgeht. Indem sie bereit war, ihr Innerstes nach Außen zu kehren, und die Welt teilhaben zu lassen an den Dramen ihrer Rollen und ihrer eigenen Seele, erreichte sie auf der Bühne jene tragische Größe, die sie bis heute unsterblich werden ließ.

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