Im Missbrauchsverfahren gegen Prinz Andrew wundert sich der Klägeranwalt über die Taktik des 61-Jährigen. "Pauschales Abstreiten in Kombination mit Attacken auf das Opfer ist einfach keine glaubwürdige Verteidigung", sagte David Boies der britischen Zeitung "Daily Telegraph". "Er hätte sagen können: "Ich wusste nicht, dass sie minderjährig war." Er hätte sagen können: "Es war eine vollkommen einvernehmliche Affäre", sagte Boies. "Es gibt eine Reihe von Dingen, die er hätte sagen können, die schwer angreifbar gewesen wären." Doch Andrews Ansatz, alles zu leugnen, sei unverständlich.
Der Sohn der Queen will sich in dem Rechtsstreit einem Geschworenenprozess stellen. In einem Dokument, das seine Anwälte in der vergangenen Woche vor Gericht in New York eingereicht hatten, werden die Vorwürfe, Andrew habe Giuffre als Minderjährige sexuell missbraucht, erneut zurückgewiesen. Zudem sind elf Gründe aufgelistet, warum die Zivilklage abgewiesen werden sollte.
Die Beweise seien jedoch erdrückend, sagte Boies. Er erinnerte insbesondere an ein gut 20 Jahre altes Foto, auf dem Andrew Virginia Giuffre einen Arm um die Hüfte legt. Im Hintergrund ist Ghislaine Maxwell zu sehen, die mit Andrew befreundet war und im Missbrauchsskandal um den US-Unternehmer Jeffrey Epstein schuldig gesprochen wurde.
Prinz Andrew und sein unglückliches BBC-Interview
Prinz Andrew hatte im November 2019 in einem BBC-Interview behauptet, das Foto mit Virginia Giuffre sei eine Fälschung. Er habe die Frau nie getroffen. Das Interview, das als Befreiungsschlag gedacht war, endete im Desaster. Nach diesem Auftritt durfte Andrew keine Termine mehr für die Königsfamilie wahrnehmen. Zu Beginn des Jahres entzog die Queen ihrem Lieblings-Sohn zusätzlich seine militärischen Titel und Schirmherrschaften.
Anwalt Boies sagte in dem Interview, er könne bis heute nicht verstehen, wie Andrews Berater das BBC-Gespräch zulassen konnten. "Es war kein hartes Interview und doch kam er so schlecht rüber. Das lag vor allem an seiner Haltung. Er zeigte keine Reue. Kein Mitleid mit den Opfern. Und wenn es den Geschworenen vorgespielt wird, was wahrscheinlich der Fall sein wird, dann zeigt es nur seine Gefühllosigkeit", so der 80-Jährige.
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Boies selbst will nach London reisen, um Prinz Andrew für ein bis zwei Tage im Kreuzverhör zu befragen. Das muss nach Festsetzung des Gerichts bis zum 14. Juli erfolgen. "Ich werde versuchen, ihm klarzumachen, dass es nicht um einen Kampf geht. Natürlich werde ich ihm eine Menge Fragen stellen. Und obwohl einige der Fragen unangenehm sein könnten, werde ich nicht aggressiv oder in irgendeiner Weise beleidigend sein. Ich werde sehr respektvoll sein", sagte er dem "Daily Telegraph". Mit Andrews Ex-Frau Sarah Ferguson werde er dagegen nicht sprechen. Das gelte ebenso für die Prinzessinnen Eugenie und Beatrice sowie die Queen selbst.
Anwalt David Boies bedauert Queen Elizabeth II.
Mit der Monarchin hat David Boies Mitleid. "Dies muss für jede Mutter ein Alptraum sein. Und dass es wegen der Position von Prinz Andrew so öffentlich abläuft, ist besonders unglücklich. Denn die Größenordnung, die es für sie haben muss, ist weitaus schlimmer."
Eine außergerichtliche Einigung schloss der Anwalt erneut nicht aus. Im Gespräch ist eine Zahlung in Höhe von mehreren Millionen Pfund. Die britische Zeitung "The Sun" berichtet von 14 Millionen Pfund. Es gehe seiner Mandantin Virginia Giuffre aber nicht um Geld, sondern um Anerkennung für sich und andere Opfer. "Es darf nicht sein, dass jemand der Verantwortung entkommt, nur weil er Reichtum und Macht besitzt. Prinz Andrew soll zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Boies.