Richard Süßmeier Was ein echter Wiesnwirt ist

Von Nina Zeller
Richard Süßmeier ist der "Napoleon der Wirte". Bei ihm tranken schon Bill Clinton, Roman Polanski und Joe Cocker ihre Maß. Jetzt hat der bekannteste Wirt des Oktoberfestes seine Memoiren veröffentlicht.

Was macht einen echten Wiesnwirt aus? Was verdient so einer? Keiner kennt die Antwort darauf besser als Richard Süßmeier, der 27 Jahre lang selbst Wirt auf dem Münchner Oktoberfest war: "Ein Wiesnwirt verdient eine links und eine rechts!" Obwohl schon seit Jahren nicht mehr aktiv und eher kleinwüchsig gilt Richhard Süßmeier, der "Wirte-Napoleon", noch immer als das prominenteste Schlitzohr, das jemals an einem Zapfhahn stand. Pünktlich zum Oktoberfest hat der jetzt 77jährige seine Memoiren herausgebracht.

Als Familienmensch, Wiesnwirt, Hotelier, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes, Hobbyboxer, Festredner ist er bekannt. "Der Napoleon der Wirte - Geschichten aus dem Leben eines Münchner Originals" heißt seine pointenreiche Biographie, in der er auf 306 Seiten sein schillerndes Leben ausbreitet und so manches Geschäftsgeheimnis verrät. Unter anderem, wie man aus einem Hendl drei Hälften macht.

Vom kleinen Richard mit Boxer zum Hofmarschall

Süßmeier war immer ein kritischer Geist. Schon bei der Geburt am 22. August 1930 musste er feststellen, dass die Redewendung "Das Licht der Welt erblicken" nicht stimmt, "denn es war Nacht als es soweit war". Seinen Vornamen erhielt Süßmeier vom damals in München gastierenden Tenor Richard Tauber. Glück gehabt. Denn zur selben Zeit war auch der Sänger Beniamino Gigli anwesend.

Die Liebe zur Wirtsgastronomie lag bereits in Süßmeiers Genen. Mit bayerischem Bier und "Schmankerl´n" wuchs er als Spross des Besitzers vom "Straubinger Hof" am Münchner Viktualienmarkt auf. Seine Boxerhündin Anka begleitete ihn regelmäßig in die Schule. "Ist der Richard da? Ist der Hund auch da? Dann können wir anfangen." So begann der tägliche Unterricht. Schon mit 18, nach dem Tod des Vaters, war er quasi Wirt vom Straubinger Hof. Mit 25 Jahren wurde er zum Vorstand des Gastwirtmetzgervereins "Zerstreuung". In der Münchner Karnevalsgesellschaft "Narrhalla" brachte er es kurz darauf bis zum Hofmarschall. Von da an ging´s nur noch bergauf.

Auf dem störrischen Eselsgespann zur Wiesn

Schon zwei Jahre später, mit 27, wurde Süßmeiers Traum vom Leben eines Wiesnwirts Wirklichkeit. Aber das Armbrustschützenzelt "Winzerer Fähndl" war noch wesentlich kleiner, als das der anderen Wirte. Deshalb zog Süßmeier nicht mit den üblichen großen Brauereirössern zur Wiesn, sondern mit einem Eselgespann. Damit schaffte er es aber gerade mal bis zur 500 Meter entfernten Sonnenstraße. Die störrischen Tiere streikten abrupt und so mussten Süßmeiers und seine Leute den Wagen selber auf die Wiesn ziehen. Im Jahr darauf, 1958, gründete Süßmeier mit Freunden und Kollegen den berühmten "Schnallenball". Dort erschien der Münchner stets verkleidet als anzügliche Puffmutter Ricarda und schließlich auch als Napoleon. "Der Fasching ist eine viel zu ernste Sache, als dass man ihn den Spaßvögeln überlassen kann", zitiert Süßmeier den damaligen Narrhalla Präsidenten Dr. Max Schottenhammel.

Um sein kleines Festzelt finanziell voranzutreiben, ließ sich der Wirte-Napoleon jede Menge neuen Verkaufsideen einfallen. Beispielsweise veranstaltete er jeden ersten Wiesntag ein Armbrustschießen mit Prominenten, oder verschenkte für jedes verkaufte hundertste Hendl eine Gans. Der Erfolg gab Süßmeier Recht. Bis 1965 hatte der Münchner es fertig gebracht, aus dem kleinen Winzerer Fähndl das bis heute größte Festzelt des Oktoberfests zu machen. Neben dem Hofbräuhauszelt gelangte er in die Hauptreihe nach vorn. Nun zog Süßmeier als verkleideter Ritter auf einem Karussellpferd zur Wiesn und ehelichte die Brauereitochter Christa, "Gitta", Pschorr.

Die Prominenz gab sich bei Süßmeier die Klinke in die Hand

1970, mit 40 Jahren war Süßmeier auf dem Höhepunkt seiner Wirtskarriere angekommen: Er wurde zum Sprecher der Oktoberfestwirte gewählt. Das Amt übte er 14 Jahre lang aus. 1975 gehörten zu seinem Imperium neben dem Winzer Fähndl und "Straubinger Hof" der Innenstadtgasthof "Spöckmeier" und die "Gaststätte Großmarkthalle".

Prominente, ob aus dem Showbiz, der Politik, Kunst oder Wirtschaft, bei Süßmeier gaben sie sich die Klinke in die Hand: Uschi Glas, Gunter Sachs, Franz Josef Strauß, Königin Beatrix von den Niederlanden, Sänger Joe Cocker - den Süßmeier erstmal nicht erkannte - Maria Callas, Bill Clinton und Regisseur Roman Polanksi. Letzterer dachte, seine Prominenz genügt und wollte gehen ohne zu zahlen. Doch den Wirte-Napoleon hatte noch nie jemand geprellt, auch ein Roman Polanski wurde zur Kasse gebeten.

1984 trat der scharfe CSU-Mann Dr. Peter Gauweiler sein Amt als Ordnungsreferent in München an. Zeitgleich kam das Gerücht auf, Süßmeier verstoße gegen die Ausschankverordnung. Die allgemeine Schankmoral wurde derart penibel begutachtet, dass sich Süßmeier an den Roman "1984" von George Orwell erinnert fühlte. Mit seinem Auftritt als verkleideter Gaulweiler und dem Slogan: "Gauweiler sieht dich!" - "Gauweiler is watching you!" - näherte sich Süßmeier unaufhaltsam seinem Waterloo. Im Laufe der Auseinandersetzungen verlor der Wirtesprecher wegen angeblicher Gesundheitsgefährdung der Gäste am 3. Oktober 1984 seine Wiesnzulassung.

Der Trick mit den drei Hendl-Hälften

Die Wiesn-Ära war zu Ende. Für Süßmeier jedoch nicht ohne große Gaudi: Bei einer selbst einberufenen Pressekonferenz ließ Süßmeier als verkleideter Gauweiler vor aller Augen ein Hendl in drei Hälften teilen. Sein Trick: Er ließ zuvor eine dritte Hälfte in den Broiler einnähen.

Nach dem Rausschmiss vom Oktoberfest kamen eine Reihe schwerer Schicksalsschläge: 1987, ließen sich das Ehepaar Süßmeier nach 25 Jahren scheiden. 1991 brannte das "Forsthaus Wörnbrunn" fast gänzlich ab. Fünf Jahre darauf musste Süßmeier es aus finanzieller Not heraus verkaufen. Doch das Münchner Steh-Auf-Männchen machte weiter und verbringt seinen Ruhestand nun als amtierender Gemeinderat Grünwalds, geschätzter Gastredner, Schauspieler und Stammtischgast. "Ich liebe das Leben und habe so gelebt, wie ich es mir vorgestellt habe", verkündet Süßmeier.

PRODUKTE & TIPPS

Mehr zum Thema