Mit 83 Jahren gestorben Skandalregisseur und warmherziger Erzähler: Zum Tod von Rosa von Praunheim

Der Filmemacher und Aktivist Rosa von Praunheim starb im Alter von 83 Jahren.
Der Filmemacher und Aktivist Rosa von Praunheim starb im Alter von 83 Jahren.
© 2015 Getty Images/Pascal Le Segretain
Seit den 1960-ern drehte er Dutzende Filme, Dokumentationen und Spielfilme – mit viel Witz und Humanität. Bis heute gilt Rosa von Praunheim als Ikone der Schwulenbewegung. Nun ist der Regisseur im Alter von 83 Jahren gestorben-

Aus heutiger Sicht mag man es kaum glauben, dass der Dokumentar- und Spielfilmregisseur Rosa von Praunheim einst die Welt der Bürger nahezu beliebig auf den Kopf stellen konnte. Skandale waren ihm ein geeignetes Mittel dafür. "Tod auf der Bühne" meldeten einst die Zeitungen in Schlagzeilen, und: "Filmemacher bei Kinoveranstaltung von tödlichen Kugeln getroffen". Darunter: "Der Filmemacher Rosa von Praunheim bricht während einer selbstgefälligen Rede von Kugeln getroffen auf der Bühne zusammen. Erst nach mehreren Minuten verlassen die Menschen fluchtartig den Saal."

Alles erfunden und von Rosa als Zeitungsente selbst in die Welt gesetzt. Lustig ging es bei ihm fast immer zu. Spaß bewirkt mehr als tumb-traurige Betroffenheit, so glaubte Praunheim, eine Integrationsfigur der Homosexuellen. Nun aber ist nicht von einer Ente auszugehen, da der "stern" den Tod des einflussreichen Filmemachers vermeldet. Demnach starb Rosa von Praunheim im Alter von 83 Jahren in Berlin. Erst vor wenigen Tagen hatte er seinen Lebensgefährten geheiratet.

Unfreiwillige Outings und warmherzige Porträts

Mit seinem 1970 gedrehten Spielfilm "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" wurde Rosa von Praunheim zu einer Ikone der Schwulenbewegung. Seine späteren Filme belegten immer wieder die Behauptung des programmatischen Widerspruchs-Titels. Homosexualität und AIDS blieben seine Themen, die anfänglich gerne verdrängt wurden. 1973 klinkte sich der BR aus der ARD-Ausstrahlung der Erlebnisse des Berliner Homosexuellen Daniel und dessen allmählicher politischer Emanzipation noch aus.

Auch später sorgte Praunheim immer wieder für Skandale, als er medienwirksame Prominente, die ihre Homosexualität nicht öffentlich machen wollten, outete wie eine Petze. Er wollte damit auf die existierende AIDS-Problematik und die Doppelmoral vieler Bürger aufmerksam machen. Die Aktion trieb ihn für geraume Zeit ins Abseits, der verspätete Erfolg schien ihm dagegen recht zu geben.

Viel lieber als derlei Aktionen sieht man allerdings Praunheims Filme. Improvisationen, ein bewusst amateurhaft anmutender, witzvoller Stil, sind Praunheims Markenzeichen. Auf der anderen Seite stehen die Wärme, die Humanität seiner Frauenporträts, ob sie nun der Schauspielerin Lotti Huber, dem DDR-Transvestiten Charlotte von Mahlsdorf oder gar der eigenen, ihm lange unbekannt gebliebenen Mutter ("Spurensuche in Riga") gewidmet sind. Praunheim war einfach ein genialer Filmerzähler, ein Dokumentarist, der keine zusätzlichen Erklärungen brauchte. Seine Dokumentationen lassen die Grenzen zum Spielfilm vergessen.

Viel Lob für Dokufiction über Rex Gildo

Praunheim, der 1942 in Riga, Lettland, als Holger Radtke geboren und zur Adoption freigegeben wurde, experimentierte bereits seit den 60ern mit Filmgenres. Sein nach Eigenaussage emotionalstes Werk jedoch drehte er erst 2015, dem Jahr, in dem er auch mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde: Simpel "Härte" nennt sich das Doku-Drama, in dem Praunheim die Autobiografie des Karateweltmeisters Andreas Marquardt inszenierte.

2022 porträtierte Praunheim den großen Rex Gildo – ohne Tabu-Denken und mit viel Tragik, versteht sich. "Rex Gildo – Der letzte Tanz" lautet der Titel von Praunheims schillerndem Dokudrama, das Spielszenen mit Zeitzeugen-Interviews und Archivmaterial kombiniert und nebst einiger Kritik auch viel Lob erntete. "Eine rundum gelungene Dokufiction", urteilte etwa das Portal Queer.de. "Der letzte Tanz" sei ein Film, "der ab der ersten Szene Rosa von Praunheims Handschrift trägt".

Unter anderem den Max-Ophüls-Ehrenpreis sowie den Pink Apple Award für sein Film- und Lebenswerk erhielt Rosa von Praunheim im Lauf seiner Karriere. "Ich will weitermachen", sagte er einst anlässlich seines 70. Geburtstags, "es gibt Filmemacher, die 100 sind." Ganz hat der Ausnahmekünstler die Marke nicht geschafft. Aber von ihm reden und seine Filme ehren wird man ganz sicher noch in vielen Jahren.

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