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Was macht eigentlich ... ... Norbert Gansel?

Der langjährige SPD-Parlamentarier, ein Parteilinker, kämpfte schon früh für die Veröffentlichung aller Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten.

Ihr Schreibtisch sieht noch immer nach viel Arbeit aus: jede Menge Papier und das aufgeschlagene Grundgesetz.

Ich korrigiere gerade eine Hausarbeit, und dabei muss ich immer noch mal gucken, ob die Studis richtig zitiert haben. Ich habe jetzt im fünften Semester einen Lehrauftrag für Politik an der Kieler Uni.

Bringen Sie Ihren Studenten auch die Kunst der politischen Winkelzüge bei?

Nein. Es geht um Politische Wissenschaft, nicht um Politisieren. Aber ich versuche, den Studenten ein realistisches Bild der Politik zu vermitteln. Dazu gehört auch der menschliche Faktor und die Versuchung des Machtmissbrauchs. Das steht ja kaum in den Lehrbüchern.

Als Abgeordneter haben Sie immer alle Ihre Einkünfte veröffentlicht. Was denken Sie über die Klage der neun Bundestagsabgeordneten vor dem Verfassungsgericht gegen die Offenlegung der Nebeneinkünfte?

Das sind Leute, die den Hals nicht vollkriegen. Die schämen sich wohl, Quelle und Höhe ihrer Nebeneinkünfte öffentlich darzulegen. Niemand wird gezwungen, Abgeordneter zu werden, niemand kann behaupten, dass man davon nicht anständig leben kann. Ich kenne keinen Abgeordneten, der nicht gerne Minister werden möchte. Aber wenn man Minister wird, gibt es nach dem Grundgesetz ein Berufsverbot. Ich habe noch von keinem gehört, dass er auf ein Ministeramt verzichten würde, weil er dann seine Nebentätigkeit aufgeben müsste.

Das klingt resigniert.

Nein. Es ist ja ein großer Fortschritt, dass es zum wiederholten Mal eine Verschärfung der Verhaltensregeln für Bundestags- und für Landtagsabgeordnete gegeben hat.

Einige Kläger behaupten, durch die Nebentätigkeit den Kontakt zum wahren Leben zu behalten.

Blödsinn. Keine Tätigkeit gibt einem so viele Chancen und auch so viele Pflichten, den Kontakt mit dem Leben normaler Menschen zu halten. Wer das nicht kann, soll nicht Abgeordneter werden.

Müssten Nebentätigkeiten für Abgeordnete ganz verboten werden?

Dagegen bin ich immer gewesen. Ich bin für die Offenlegung der Nebeneinkünfte mit dem dafür erforderlichen Zeitaufwand. So kann der Wähler sehen, wo Interessenkonflikte liegen, und an dem Missverhältnis zwischen Zeit und Geld erkennen, wo die Grenze zur Korruption überschritten ist. Der Abgeordnete ist von Weisungen unabhängig. Er darf nicht von Überweisungen abhängig werden.

Zur Person

Norbert Gansel wurde 1940 in Kiel geboren. Nach dem Abitur und Wehrdienst bei der Bundesmarine studierte er Geschichte, Politikwissenschaft und Jura. 1965 trat Gansel in die SPD ein, saß von 1972 bis 1997 im Bundestag. Freiwillig machte er alle seine Einkünfte öffentlich, er nahm auch keine bezahlten Nebentätigkeiten wahr. Von 1997 bis 2003 war er dann erster direkt gewählter Oberbürgermeister seiner Heimatstadt. Gansel hat eine erwachsene Tochter und lebt mit seiner Frau Lesley in Kiel.

Einige Nebentätigkeiten hatten Sie auch. In den Sommerferien haben Sie Praktika gemacht, als Müllmann oder im Bergwerk.

Vor allem, als ich noch Sozialpolitik gemacht habe, war es wichtig, direkt in einem Betrieb Erfahrungen zu machen. Außerdem tat es immer gut, selbst zu spüren, wie hart andere Leute für ihre Groschen arbeiten müssen.

Als echter Kieler können Sie segeln und surfen. Wie oft stehen Sie noch auf dem Brett?

Selten. Ich habe in der Schulter ein Problem vom vielen Händeschütteln, eine Berufskrankheit. Ansonsten reise ich jetzt mit meiner Frau dahin, wohin sie will. Ich lese wieder sehr viel, unterstütze den Handballmeister THW Kiel, arbeite im Garten, widme mich mit Nachbarn der Cidre-Produktion und räuchere Fische.

Sie räuchern?

Ja, in meinen Ofen im Garten passen bis zu 40 Heringe. Manchmal bringt ein alter Genosse selbst geangelte vorbei. Oder ich hole welche vom Wochenmarkt. Fisch gibt es ja ausreichend in Kiel.

Interview: Marcus Müller print

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