Ausstellung Bitte nicht berühren!

Die Kunstszene hat ein neues Hobby: kostbare Möbel sammeln. Die Messe Design Miami in Basel könnte zu ihrem Mekka werden.

Der Modemacher Wolfgang Joop hat mal erzählt, warum er nach dem Verkauf seines Labels mit dem Sammeln von seltenen Möbelstücken begonnen habe: "Das war ein Trostreflex dafür, dass ich zum Nichtstun verurteilt war." Dieser Reflex dürfte arbeitslosen Machern vertraut sein, vielleicht auch der Ex-Chefin des Senders Neun Live, Christiane zu Salm.

An einem heißen Dienstagmorgen im Juni tritt Salm, auch sie gerade ohne nennenswerte Wirkungsstätte, aus der Elisabethenkirche von Basel. Die Medienmanagerin ist nicht zum Beten, sondern zum Bummeln hier: In dem neugotischen Gotteshaus sowie im benachbarten Stadttheater stellen 17 Möbelhändler vier Tage Sofas, Sessel, Regale, Tische und Vasen aus, die nicht nur durch das Ambiente, sondern vor allem wegen ihres Preises eine fast sakrale Aura umgibt. Sie haben entweder bereits einen musealen Status erreicht, wie etwa die insektenähnlichen Leuchten von Serge Mouille (ab 18500 Euro), oder sie sind Teil einer limitierten Reihe, wie die Sitzgelegenheit-Skulpturen der Stararchitektin Zaha Hadid (das zackige Modell "Eisberg" für 40000 Euro, Fracht inklusive); bei manchen handelt es sich gar um ein Unikat, etwa bei dem Holzschreibtisch, den der Architekt Donald Judd 1978 für seinen Sohn Flavin baute (450000 Dollar).

Ideale Trostpflaster allesamt für Menschen, die wie Frau zu Salm über viel Zeit und noch viel mehr Geld verfügen - denn exklusiver Geschmack ist sehr teuer geworden in der Designwelt: "Stücke, die vor wenigen Jahren noch für 20000 Dollar gehandelt wurden, gehen heute für eine Million weg", sagt Ambra Medda, die 26 Jahre alte Kuratorin von "Design Miami/Basel". So lautet der vollständige Name dieser Verkaufsmesse, die im vergangenen Dezember in Miami ihren Ursprung nahm und als Begleitprogramm zur Kunstmesse "Art Basel" ihren Weg in die Schweiz gefunden hat. Die Sammler sind gefolgt und schreiten nun die Galeriestände ab. Preisschilder gibt es keine, nur Preisvorstellungen, und über Geld geredet wird meist erst zum Schluss - "wer direkt fragt, was es kostet, ist oft nur ein Voyeur", sagt ein Galerist, abschätzig lächelnd. Wer die Messebesucher beobachtet, wird von dem Gefühl beschlichen, dass Sammeln kaum mehr als ein anderes Wort für Shoppen ist: Der Erwerb kitzelt manche Sammler stärker als der Besitz.

Wenige Stunden nach der Eröffnung der "Design Miami/ Basel" sind schon die ersten roten Punkte verteilt. Ein Sofa von Finn Juhl, ein Einzelstück aus den 50er Jahren, wurde zu einem geheimen Preis veräußert; eine andere Händlerin ruft verzückt aus: "Oh, it's just sold to Ohio", und zeigt auf ein massives Tablett, an dessen Rändern die Silberblüten wuchern wie Heidekraut. Ein so genanntes Plateau de Présentation des Designers Alexandre Noll, er ein Teurer unter den Teuersten, wurde von seinem neuen Besitzer direkt ins Auto geladen - der Händler Patrick Seguin weist mit freudig roten Wangen auf die Lücke in der Verkaufsfläche. Eine Mitarbeiterin seiner Galerie wundert sich: "Viele unserer Objekte wurden entworfen von sozialistisch denkenden Designern, von Charlotte Perriand und Le Corbusier. Doch was für die Masse gedacht war, endete häufig als Brennholz. Und was nicht Brennholz wurde, erzielt nun Höchstpreise bei den Kapitalisten."

Ambra Medda kann daran nichts Anstößiges finden. Das sei nun mal der Weg vieler Kunststücke, sagt sie, und damit ist klar, dass für sie, die Tochter einer Möbelhändlerin in London, die industriell gefertigten Gebrauchsgegenstände mit Kunstwerken konkurrieren können. Wessen Wände schon voll hängen mit Bildern der Leipziger Schule, der fängt an zu überlegen, wie er den Raum zwischen den Wänden füllen kann. Und landet so bei den hypermodernen Stahl- und Plastik-Schaukelstühlen von Ron Arad, zu deren Lieferumfang auch der Aufkleber "Bitte nicht berühren" gehören sollte.

Nach vier Tagen in Basel haben die Galerien Einrichtungsgegenstände im Wert von etwa zehn Millionen Euro verkauft. Wolfgang Joop wurde übrigens nicht gesichtet; er hatte möglicherweise Besseres zu tun.

print

PRODUKTE & TIPPS