Die Barbie? Giftig? Niemals! Bettina Dorfmann verteidigt ihre Patientin, als wäre sie ihre eigene Tochter. Mit einem Lächeln liegt die Blondine auf einem Tuch in Dorfmanns Küche und wartet auf die Operation. Sie hat ganz andere Probleme als ein bisschen Gift im Plastik: Sie hat beide Beine verloren. Zur Reparatur wurde sie extra aus Bayern eingeschickt. Eine Gelenkschwäche im fortgeschrittenen Alter - keine Seltenheit bei einer Schönheit, die mit ihren makellosen Beinen jahrzehntelang durch die Welt spazierte. Bettina Dorfmann steht am Herd, das Wasser im Kochtopf brodelt, die Beine ihrer Patientin schwimmen darin. Dorfmann zieht die Gliedmaßen aus dem dampfenden Wasser und drückt sie der Puppe in den Unterleib: "Ich muss das Plastik etwas weichmachen, sonst könnte das Gelenk beim Randrücken abbrechen", erklärt sie die Prozedur. Tausende Ersatzteile hat die Barbie-Chirurgin auf Flohmärkten eingesammelt - Köpfe, Arme, Beine. Haare besorgt sie im Friseurgroßhandel, was nicht immer ganz einfach ist.
Puppenbesitzer aus aller Welt schicken ihre beschädigten Schönheiten zu Bettina Dorfmann. In der Einbauküche ihres Reihenhauses im Düsseldorfer Stadtteil Wersten pinselt Bettina Dorfmann Barbies besserer Hälfte Ken neue Haare auf den Kopf, verpasst den Puppen frische Wimpern oder kümmert sich um offene Brüche im Plastikkörper. Immer wieder melden sich bei der Barbie-Chirurgin aufgeregte Puppenbesitzer, die sich aufgrund abgerissener Haare, gebrochener Gliedmaßen und Hautverfärbungen um ihre Sammlerstücke sorgen. Die Meldungen über giftige Substanzen in Barbies Plastikkörper nimmt Bettina Dorfmann hingegen gelassen, von einem "Giftskandal" könne keine Rede sein: "Die Puppen selbst sind nicht giftig, nur bestimmte Zubehörteile und Mattel hat sofort reagiert und alles zurückgenommen."
Für alles andere ist Bettina Dorfmann zuständig. Ihre Patienten kommen per Post, manchmal warten zwanzig Härtefälle zugleich auf ihre Behandlung. Ganzkörperwäschen bietet Bettina Dorfmann ebenfalls an. Denn obwohl die Plastikbrüste auch im gehobenen Alter prall bleiben, ganz kann sich die berühmteste Puppe der Welt dem Altern nicht entziehen. Fünf Euro kostet ein einfacher Eingriff, umfangreiche Operationen schlagen mit 100 Euro und mehr zu Buche.
Bettina Dorfmann besitzt die weltweit größte Barbie-Sammlung
In ihrem Haus in Düsseldorf hat sich Bettina Dorfmann ein eigenes Barbiezimmer eingerichtet. Hier lagert sie ihre Sammlung, die größte weltweit. Rund 4000 Plastikgeschöpfe drängen sich in den verglasten Vitrinen "Es hat alles angefangen, als meine Tochter vor 15 Jahren geboren wurde", erzählt die Düsseldorferin. Für sie holte Dorfmann ihre alten Barbiepuppen aus dem Keller und reparierte sie. Doch die Tochter wollte lieber neue Puppen. Also behielt die Mutter ihre Barbies - und entwickelte eine Leidenschaft, die ihr inzwischen zwei Einträge ins Guinessbuch der Rekorde eingebracht hat.
Das Fräuleinwunder im Miniaturformat ist für Bettina Dorfmann ein Vorbild und Zeugin der rasanten beruflichen Entwicklung der Frau in den vergangenen Jahrzehnten: "Gleich zu Beginn hatte Barbie schon Berufe, allerdings eher klassische Frauenberufe", berichtet sie. Doch das Plastik-Blondchen emanzipierte sich, durfte auf dem College ihren Abschluss machen, wenig später sogar als Lehrerin unterrichten. "Barbie hat als Stewardess angefangen, heute ist sie selbst Pilotin und Astronautin", sagt Dorfmann. Bereits Anfang der Neunziger kandidierte die Blondine unter dem Motto "Barbie for president" für das höchste Staatsamt der USA. "In der Welt der Barbie dirigiert die Frau", stellt Bettina Dorfmann fest. Für ihren Dauerfreund, den Schönling Ken, bleibt da nur die Statistenrolle.
Auch modisch ging Barbie stets mit der Zeit. In den fünfziger und sechziger Jahren glichen ihre Miniatur-Kleidungsstücke den großen Vorbildern bis ins Detail. Mäntel wurden gefüttert, Knöpfe liebevoll angenäht, edle Stoffe verarbeitet. Elegante Haute Couture-Roben der Fünfziger trug Barbie ebenso wie fesche sechziger Jahre Disco-Klamotten und das Tennis-Outfit in den achtziger Jahren.
Heute lässt Barbie hauptsächlich Kleider aus Plastik an ihre Haut. In den Siebzigern fielen die Puppen regelmäßig auseinander - die Ölkrise zwang auch Spielzeughersteller, mit dem Material zu experimentieren. Während sich Barbie in den achtziger Jahren von der Sonne braun brennen ließ, ist das heute undenkbar. Weil inzwischen bekannt ist, dass UV-Strahlen krebserregend sind, will Barbie ihren kleinen Besitzerinnen kein schlechtes Vorbild sein. Auch technische Entwicklungen lassen sich anhand von Barbies Accessoires nachverfolgen: "Zuerst hatte Barbie einen fetten schwarzen Fotoapparat, heute muss es natürlich die Digicam sein. Früher fuhr sie Rollschuh, heute hat sie Inline-Skates", sagt Bettina Dorfmann. Die kann jetzt auch die beinlose Barbie aus Bayern wieder anziehen. Nach nur zehn Minuten und dank der geschickten Handgriffe ihrer "Ärztin" hat sie zwei neue Gliedmaßen.