Als Daniel Craig in dieser Woche bei einer Veranstaltung in New York auftrat, staunten die Gäste nicht schlecht: Der Schauspieler zeigte sich mit ungewohnt langen Haaren und einer schmalen Nickelbrille. Vor dunklem Hintergrund mit aufleuchtenden Punkten posierte er für die Fotografen. Gäbe es nicht längst das Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“ am Broadway, man hätte glauben können, Craig sei in die Rolle des berühmten Zauberers geschlüpft.
Auch bei „X“, ehemals Twitter, wurde sein Look kommentiert. Manche sahen in ihm auch den strengen Literatur-Professor einer Elite-Universität, andere witzelten, er sähe aus wie ein Bankangestellter, der mit strengem Blick zum zweiten Mal einen Hypothek-Antrag ablehne. Binnen kürzester Zeit wurde Craig zum Meme. Da er an demselben Abend zu einem Uhrenevent eingeladen gewesen war, vermuteten einige gar, mit der Brille mime er den Tüftler, der sich bestens mit Zeigern und Zahnrädern auskenne.
Auf ewig James Bond?
Dass Craigs neuer Look für so viel Aufstehen sorgt, liegt natürlich auch daran, dass der Schauspieler mit seiner ikonischen Filmrolle verwachsen war und ist. Seit 2006 und über Jahre hatte er James Bond gespielt und den typischen Gentleman-Look gepflegt, auf der Kinoleinwand, dem rotem Teppich und im Privaten. Seine Anzüge waren eng geschnitten und stammten von den Edelschneidern der Londoner Savile Row. Er kombinierte sie mit Westen und Krawatten, trug die Haare stets rappelkurz. Ein Stil, der aus sich selbst heraus begründet war und dermaßen perfekt saß, dass jede Kritik wie an Teflon abzuperlen schien. Craig war Bond, ununterscheidbar, untrennbar, die Rolle als zweite Haut und ewiges Kostüm. Das einzige Accessoire, das sich Craig wie alle anderen Bond-Darsteller vor ihm gönnte, war eine Uhr. Seit „Goldeneye“ im Jahr 1995 tragen alle James Bond-Mimen ein Modell der Schweizer Marke Omega.
15 Jahre lang verkörperte Craig den Geheimagenten, 2021 verabschiedete er sich mit „Keine Zeit zu sterben“ von der Filmrolle und gleichsam vom Stil, der dieser Rolle zu eigen gewesen war. So zeigte er sich im Sommer darauf bei einer Gala mit blonder Haartolle und goldig-gelb gefärbter Sonnenbrille, was ihn wie einen Siebziger-Jahre-Gigolo aussehen ließ.
2022 sorge der Werbefilm der Vodka-Marke Belvedere für Aufsehen, in dem Craig mitspielte. Im Spot, der von Oscar-Preisträger Taika Waititi ("Jojo Rabbit") inszeniert wurde, mimt er einen Filmstar, der vor der Menge flieht, die ihn als Idol verehrt. Eine Rolle als Katharsis, ihm wie auf den Leib geschrieben. Statt im edlen Zwirn sah man Craig in Lederjacke und mit Sonnenbrille durch Paris schlendern, im Muskelshirt durch eine Hotelsuite tanzen, mit Goldzähnen in die Kamera grinsen.

"Mein Name ist Craig, Daniel Craig"
Die Nickelbrille jetzt ist demnach nur mehr ein weiteres Indiz für seinen Image-Wechsel. Nächster Schritt auf dem langen Weg zu sich selbst – oder dem, was andere dafür halten. Dass man ihn mit einem Bänker, Tüftler oder Zauberer vergleicht, dürfte Craig recht sein. Hauptsache, man sieht in ihm nicht auf ewig den Geheimagenten James Bond. Sein veränderter Look wirkt wie eine Botschaft an Filmmacher allerorten: „Mein Name ist Craig, Daniel Craig“. Aber pardon, das war jetzt natürlich auch wieder eine 007-Referenz.