Einrichten Die Nichtmarke

Von Christine Mortag
Der Einrichter Muji verzichtet auf Logo und Schnörkel - nun auch in Deutschland.

Man muss sich das mal vorstellen: All die No-Name-Produkte, die bei uns im Supermarkt in den untersten Regalen stehen, wären plötzlich so was wie Kultobjekte. So begehrt, dass Japaner und andere Ausländer extra nach Deutschland reisten, um uns die Scheuermilch von "Ja!" oder die Tütensuppen von "A & P" aus den Händen zu reißen. Völliger Blödsinn? Kaum. Das japanische Pendant zu unseren Namenlosen heißt Muji - die Abkürzung von Mujirushi Ryohin, was "keine Marke, gute Produkte" bedeutet. Tatsächlich pilgern trendorientierte Deutsche regelmäßig in eine der neun Londoner Muji-Filialen. Dort kaufen sie minimalistisch gestaltete Alltagsgegenstände zu günstigen Preisen, von der Zahnpasta bis zum Alu-Klapprad.

Die Frage, ob nicht auch das Sofa von Muji ins Flugzeug passt, erübrigt sich nun: Das japanische Unternehmen hat im November vergangenen Jahres das erste Geschäft in Deutschland eröffnet, auf der Düsseldorfer Königsallee. Und seit Ende April lockt in den Münchner Fünf Höfen sogar der größte Muji-Shop Europas seine Kunden - mit 700 Quadratmeter Verkaufsfläche. Auch hier bestimmen puristisches Design und Funktionalität nicht nur das Warenangebot, sondern auch die Ladenausstattung. Alles ist so hell, klar, übersichtlich und aufgeräumt, wie man es auch zu Hause gern mal hätte. An den Wänden stehen Stahlregale, mal mit Dutzenden exakt ausgerichteten transparenten Aktenordnern (ab 3,50 Euro) gefüllt, mal mit anthrazitfarbenen Handtüchern (ab 7 Euro), mal mit weißen Tellern und Tassen (ab 5,50 Euro). Alles natürlich ohne Schnickschnack, ohne Dekor, ohne Blümchenmuster. Farbliche Ausreißer wie Orange oder Pink entdeckt man höchstens im Buntstiftsortiment.

"Preiswert aus gutem Grund"

Gegründet wurde Muji 1980 als Eigenmarke der Warenhauskette Seiyu - mit dem Slogan: "Preiswert aus gutem Grund". 1991 wagte sich das Unternehmen nach Europa. Das war ausgerechnet in der Zeit der Label-Manie, als Menschen wie wandelnde Werbeflächen durch die Welt stolzierten. "Natürlich gibt es viele Kunden, die auf Marken fixiert sind", sagt Tadamitsu Matsui, der Chef von Muji. "Aber zu jeder Bewegung gibt es auch eine Gegenbewegung." Er hat Recht, das Minimalismus-Konzept von Muji funktioniert prächtig: Heute liegt der Jahresumsatz von Muji bei einer Milliarde Euro. Allein in Japan gibt es derzeit 305 Läden, in Europa sind es aktuell 34; 17 weitere sollen hinzukommen.

Zuweilen treibt Muji die "Wir wollen namenlos bleiben"-Attitüde auf die Spitze. So verschweigen die Japaner einfach, dass ein graues Metalltischchen von Konstantin Grcic entworfen wurde, ein Sofa von Sam Hecht oder ein Esszimmerstuhl von Jasper Morrison. Denn Hauptsache, es ist Muji - die Nichtmarke, die längst selbst zum Kultlabel geworden ist.

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