Es war einmal vor langer, langer Zeit, so zwei Wochen muss es jetzt her sein, da legte sich in der Montags-Frühkonferenz des stern eine perfekt manikürte Hand auf meine Schulter. Sie gehörte Mareile, der Leiterin unseres Mode- und Style-Ressorts. Und sie säuselte mit leiser Stimme in mein Ohr: "Kester, möchtest du ein schöner Mann werden und dich einmal so richtig entspannen?" "Ja, liebe gute Fee", rief ich entrückt in die somnambule Morgenrunde hinein. "Ja, das will ich." "Super, Mann", sagte Mareile. "Dann kannst du für uns mal ausprobieren, was man im Hamburger Nivea-Haus so als Kerl alles in Sachen Wellness und Beauty durchziehen kann." Und so zog ich aus ins Nivea-Haus. Hier ist mein Bericht:
An einem regnerischen Freitag stehe ich mit Christian, unserem Fotografen vor den Toren des Wellnesstempels am Rande von Hamburgs feinster Einkaufsmeile am Jungfernstieg. Ein riesiges Nivea-Dosen-Mosaik ziert die Häuserfront der sogenannten Wohlfühloase. Unten im Erdgeschoss gibt es unzählige Nivea-Produkte zu kaufen. In zwei ansprechend eingerichteten Stockwerken darüber und im Untergeschoss finden die Anwendungen statt: Massagen, Peelings, Pediküre, Bäder, Packungen, kurz: Runderneuerungen aller Art. Das Nivea-Haus ist in letzter Zeit allerdings ein bisschen ins Gerede gekommen. Im Grunde, weil das Konzept zu erfolgreich ist. Wegen des großen Andranges muss man gelegentlich Monate auf einen Termin warten. Vor allem konnten Gutscheine nicht zeitnah eingelöst werden. Mittlerweile sei das Personal aufgestockt und der Gutscheinberg zu großen Teilen abgebaut, versichern die Betreiber. Ich werde an der Rezeption von einer Dame ausnehmend freundlich begrüßt. Sie wird gleich körperlich:
Thai-Ganzkörpermassage - das klingt anzüglich
"Mögen sie es, massiert zu werden?" "Och, ja, so abends, im Nacken, wenn mir die Birne von der Arbeit brummt." "Ah, gut, dann fangen wir mit 'Spannungsfrei' an. Das ist eine thailändische Ganzkörpermassage." Ähmm ... Thai-Ganzkörpermassage - das klingt anzüglich. Ich zögere. Was soll ich meiner Frau sagen? Etwa: "Ich habe mich von einer unbekleideten, jungen Asiatin einölen und auswuchten lassen, Schatz. Es war rein dienstlich."
Doch alles bleibt sauber. Ich behalte ein T-Shirt und eine Jogginghose an, und die Massierende ist eine zupackende, sympathische junge Frau namens Sonja, diplomierte Masseurin und Badetherapeutin mit etwa 800 Zusatzausbildungen, die alle mit exotischen, aber gänzlich unverfänglichen Massagen zu tun haben. Sonja führt mich in einen behaglichen Raum. Das Licht wird gedimmt. Leise, fernöstliche Musik tröpfelt aus verborgenen Lautsprechern. Ich lege mich auf eine Matte, und Sonja fängt an, mit kundigen Händen an mir zu ziehen und zu drücken. Füße, Beine, Arme. Kopf. Es ist wunderbar. Total entspannend. Sonja hat magische Hände, gibt kurze, freundlich klingende Kommandos und fängt nach einer Art Aufwärmphase an, mich lustig zu verknoten. Hier ein Bein gedreht, da ein Arm angewinkelt, den Kopf zur Seite, und dann das Ganze seitenverkehrt mit etwas mehr Druck. Fotograf Christian ist kurz draußen gewesen und erschrickt, als er den Raum wieder betritt. "Ich dachte", erzählt er mir später, "Sonja wäre von einem Konkurrenzblatt gedungen worden, um dich zum Reden zu bringen." Doch ich lag entspannt auf der Matte und ließ mich dehnen, ziehen, drücken und massieren. Keine Spur von Schmerz oder Unwohlsein. Ich kann die thailändische Ganzkörpermassage in unseren Breiten ohne Einschränkung empfehlen - man darf sich lediglich an der etwas quäkenden, fernöstlichen Entspannungsmusik nicht stören.
Anschließend werde ich leicht sediert, aber durchaus noch bei Sinnen in den ersten Stock geführt. Dort soll ich das "Volle Progamm" für Männer bekommen, eine Pflegerasur der guten, alten Art, verbunden mit einer Gesichts- und Nackenmassage.
Nicht scharf, sondern sehr scharf
Fatma, die türkische Barbierin, kommt auf mich zu. In der Hand hält sie ein bedrohlich funkelndes Rasiermesser. "Das ist scharf, nicht wahr?", frage ich mit leiser Stimme "Nein", antwortet Fatma. "Das ist sehr scharf." Dann klappt sie das Messer einmal auf und zu und lächelt. Voll cool, die Frau. Man führt mich ab in das Behandlungszimmer und bettet mich auf eine Art Liegestuhl. Das Licht wird gedimmt. Fatma schiebt einen Plastikrüssel vor meinen eigenen und drückt auf einen Knopf. Feiner, heißer Nebel hüllt mich ein. Man bedampft mein Gesicht, dann wird selbiges mit Nivea-Creme eingerieben. "Damit die Haut nicht so gereizt wird", sagt Fatma und bedeckt mein fett-glänzendes Antlitz mit einer dicken Schicht Rasierschaum. Ich kann durch den Nebel des Visagen-Bedampfers kaum noch etwas erkennen. Doch da - Christians Blitzgerät erhellt für eine Zehntelsekunde die scharfe Klinge des Rasiermessers, die sich langsam meiner Kehle nähert. Ich erstarre, was auch besser ist. Denn als jetzt die Klinge gegen den Strich kratzend über meinen Hals fährt, wäre Zappelei eher ungeeignet. Aber Fatma weiß, was sie tut. Zügig, aber ohne Hektik schabt sie Haar um Haar von meinem Gesicht, bewältigt auch kantige Problemzonen im Kinnbereich ohne Gemetzel und cremt mich nach der Rasur mit allerlei pflegenden Substanzen ein. Ein großartiges Gefühl. Dann übernimmt ihre Kollegin Ferda, die Leiterin des Kosmetikbereiches, die Schlenz-Bearbeitung. Sie verpasst mir eine großartige Kopf-, Nacken- und Schultermassage. Dann kommen sogar die Füße dran. Es killert nicht. Ich dämmere weg, höre die sanfte Musik und gelegentlich das kontemplative Klicken von Christians Blitzgerät. Aber dann wird es noch besser.
Es folgt die Anwendung "Klare Sache". "Aufklärung für die Haut", heißt es im Programm soldatisch. Dabei geht es um eine "Gesichtsbehandlung mit Bedampfung für eine porentief gereinigte und erfrischte Haut". Okay, man möge mich erneut bedampfen. Das geschieht auch, zudem werde ich gewienert, eingecremt, von widerborstigen Haaren befreit, bekomme ordentlich was auf die Augen und noch eine Massage im Nacken und am Kopf. Großartig! Ich dämmere noch ein wenig im Liegen, schaue nach draußen auf die Alster und denke: "Ganz großer Sport, so ein Beauty-Programm." Dann bin ich fertig. Entspannt, gründlichst rasiert, porentief rein, glänzend - und, wenn man die Augen ganz doll zusammenkneift, auch fast ein bisschen schön.
Das "Volle Programm" mit Rasur und Massage kostet im Nivea-Haus 39 Euro, die Kosmetikbehandlung ebenfalls 39 Euro und die asiatische Ganzkörpermassage "Spannungsfrei" 54 Euro.