Es ist noch nicht allzu lange her, da war Öko-Mode gleichbedeutend mit weit geschnittenen Strick-Pullovern und erdfarbenen Leinenkleidern mit aufgenähten Riesentaschen. Sie hatte mehr zu tun mit Öko als mit Mode. Niemand in der Nähe eines Laufsteges hätte wohl unter diesen Umständen freiwillig organische Baumwolle getragen. Das hat sich inzwischen geändert. Auch in London.
Im vergangenen Jahr haben modebewusste Damen stundenlang Schlange gestanden für eine Jute-Einkaufstasche mit dem aufgenähten Spruch "Ich bin keine Plastik-Tasche". Die war, natürlich, aus organischer Baumwolle und wurde von der Taschen-Designerin Anya Hindmarch für die britische Supermarkt-Kette Sainsbury's entworfen. Für einige Wochen konnten sich ihre Trägerinnen als exklusiver Kreis der neuen Mode-Elite fühlen: schneller als alle anderen beim Aufspüren neuer Trends und außerdem noch ökologisch völlig im Reinen beim Einkaufstrip. Bis die Markenpiraten Südasiens von der neuen Übertasche Wind bekamen, und London mit "Ich bin keine Plastiktasche"-Imitaten überfluteten. Heute bekommt man das Ding an jeder Ecke und niemand weiß mehr, wer wirklich öko trägt und wer dies nur vorgibt.
Weg vom Strick-Image
Doch eine Schwelle wurde spätestens mit der Hindmarch-Tasche überschritten: Öko ist herausgetreten aus der Schmuddel-Ecke und kann sich im Licht der Mode-Öffentlichkeit präsentieren. Bei der diesjährigen "London Fashion Week" standen die ethisch und ökologisch denkenden Modemacher direkt rechts am Eingang, nicht zu übersehen. Und ihre Mode ist inzwischen weit entfernt von dem Strick-Image, das sie über Jahre pflegte.
Terra Plana, zum Beispiel, ist ein Schuh-Hersteller, der die Schauspielerin Scarlett Johansson unter seinen Kunden weiß. Die Stiefel und Pumps aus vegetarisch behandeltem Leder sind nur in den angesagtesten Straßen in London zu finden. Es soll Leute geben, die diese Schuhe nicht nur kaufen, weil sie fast ohne Chemie hergestellt werden - sondern einfach, weil sie gut aussehen.
Die Öko-Mode will ganz offensichtlich hinaus aus der Ecke der Mitleids-Käufe. Mit den großen Modeketten Monsoon und Accessorize sponsern zwei Hersteller der Highstreet die Ausstellungs-Sektion der ökologisch-ethisch orientierten Designer, "Estethica" genannt. Im hinteren Teil zeigen die Designer von "Greenknickers" ihre mit Liebe und Hanf hergestellten Boxershorts und Slips. Darunter findet sich auch eine Fahrrad-Unterhose für Damen, in die eine komischerweise wie eine Riesen-Binde aussehende Polsterung angeheftet werden kann. Für die bessere Polsterung beim Radeln - "für ein Lächeln der grünen Göttinnen im ganzen Land".
Gerade wird der Mainstream infiltriert
Doch den Machern hinter "Estethica" geht es um weit mehr als um obskure kleine Designer mit lustigen Werbesprüchen. "Die Infiltration des Mainstreams passiert in diesem Moment", schreiben sie in ihrem Katalog. "Marken, die zuvor eher tot umgefallen wären, als sich ökologisch zu präsentieren, haben nun grüne Werbesprüche."
Gleich der erste Stand, den man beim Eintritt in das Hauptzelt der "Fashion Week" zu Gesicht bekommt ist von der Environmental Justice Foundation (EJF). Die EJF kämpft gegen die Ausbeutung in der Baumwoll-Industrie. Auf den Ausstellungs-Wänden sind Kinder mit furchtbaren körperlichen Behinderungen zu sehen, ausgelöst durch den Pestizid-Gebrauch auf Baumwollfeldern. Daneben hängen Zahlen: Eine Million Kinder ernten in Ägypten bis zu 77 Stunden jede Woche Baumwolle, jeden Tag bringen sich drei Farmer in Indien um, weil sie die Schulden nicht mehr zahlen können, die sie für die Pestizid-Behandlung ihrer Baumwollernte leihen mussten. 20.000 Menschen jedes Jahr sterben durch die Gifte der Baumwoll-Produktion. EJF arbeitet daran, das Pestizid Endosulfan weltweit zu verbieten. Und zusammen mit der Designerin Katherine Hamnett wollen sie die Produktion von Bio-Baumwolle erhöhen. Bauern könnten dadurch ein Fünftel mehr verdienen - und sich aus dem Kreislauf der Armut befreien.
EJF verkauft T-Shirts der Designer Christian LaCroix und Luella Bartley, Models wie Lily Cole und Irina Lazareanu haben mit den Entwürfen posiert. Wie erfolgreich die Kampagne war, wird man nach der Fashion Week sehen. Wenn die ersten nachgemachten Design-Shirts der Kampagne zu Spottpreisen an Londoner Straßenständen zu haben sind.