Der Winter wird schwarz. Garniert mit einem Spritzer Blutrot. Auf den Laufstegen Paraden lebender Toter. Die hübschen Gesichter der Models sind kalkweiß abgepudert, um ihre Augen liegen dunkle Schatten. Gothic nennt sich der düstere Trend. Einer seiner Väter: der Schock-Rocker Marilyn Manson. Als er im Dezember 2005 auf einem düsteren Schloss die Burlesk-Tänzerin Dita von Teese heiratete, erschien er in einem schwarzen Smoking von John Galliano. Sie in idealer Entsprechung in rotem Kleid von Vivienne Westwood. Schwarz und Rot - die Lieblingsfarben der Gothics.
Jetzt ist das Morbide auf dem Weg zum Mainstream: Wer will, kann sich finster einrichten, mit schwarzen Lüstern, schwarzen Tapeten, dunklen Sitzlandschaften. Das Haus der Kunst in München zeigt "Black Paintings" von Mark Rothko und Robert Rauschenberg. Auch im Kino hat das Krematoriumsgrau Saison: Im neuen Film von Alfonso Cuarón, "Children of Men", hat sich Endzeitstimmung über die Welt gelegt.
An die Vergänglichkeit des Lebens erinnern
Es scheint, als hätten viele Kreative eine Zeitreise zurück in das Barock unternommen. In eine Zeit, in der Krankheiten und Kriege die Menschen in Angst und Schrecken versetzten. Damals wimmelte es auf den Stillleben von Todessymbolen, die inmitten prachtvoller Blumen, praller Früchte und schöner Frauen an die Vergänglichkeit allen Lebens erinnern sollten.
Und heute? Die Nachrichtenbilder von Bomben und Terror wirken nicht gerade stimmungsaufhellend. "Wer Zeitung liest", sagt Karl Lagerfeld, "dem fällt nichts in Rosa ein." Kein Wunder also, dass auch andere Größen der Modebranche wie Marc Jacobs und Miuccia Prada ungewohnt viele Gothic-Elemente verwenden: dunkle Töne, lange Mäntel, weite Hosen, Schicht über Schicht, dazu derbe Stiefel. Alexander McQueen druckt Totenschädel auf Schals und vertreibt niedliche Silberskelette als Schlüsselanhänger. Die passende Kosmetik steht auch bereit: Bei Chanel gibt es dunkelroten Nagellack, bei Helena Rubinstein Lidschatten in Weiß und Pflaume.
Die Nische der Pessismisten wird größer, wie die Trendforscherin Anja Kirig konstatiert: "Dafür spricht, dass es nicht nur Teenager sind, die sich mit schwarzen Gewändern, weißen Gesichtern und Patschuli-Odeur gegen ihre Eltern auflehnen. Der Look ist heute alters- und schichtenübergreifend."
Für die Mode selbst ist das Spiel mit dem Verfall nichts Neues: Jeder Trend bedeutet zugleich das Ende des Vorherigen. Alles ist eitel, alles ist vergänglich - dieser alte Barockslogan passt im doppelten Sinn. Doch wer lange genug dabei ist, weiß: Irgendwann kommt alles wieder.