Die meisten lernen die Uhrzeit an einem Zifferblatt, auf dem Stunden- und Minutenzeiger ihre Runden drehen. "Diese Zeitanzeige hat sich durchgesetzt, weil sie viel einfacher zu begreifen ist als die digitale", sagt Ruedi Külling, Grafikdesigner und Kopf hinter der schweizerischen Design-Marke Xemex. Für ihn ist sie das Ergebnis der 500-jährigen Evolution der Uhr. Seit man bei der Sonnenuhr die Bewegung des Schattens um einen Stab beobachtete, haben die Menschen an solchen Kreisbewegungen die Zeit abgelesen.
Aber die Uhrmacher haben die Anzeige immer wieder überdacht und zu verbessern versucht. Die Darstellung der Zeit mit Zahlen ist seit den japanischen Digitaluhren der Achtziger Jahre die bekannteste Modifikation. Für wissenschaftliche Präzisionsuhren wurde dagegen die Regulator-Anzeige entwickelt. Dabei laufen Stunde, Minute und Sekunde in einzelnen Zifferblättern. Der Vorteil: Alle Zeiger sind zu erkennen, weil sie sich nicht gegenseitig überlappen können.
Vom Sultan inspiriert
Es gibt aber auch völlig andere Lösungen: Etwa die retrograden Anzeigen, bei denen der Zeiger nach einer bestimmten Kreisstrecke zurückspringt. Oder Dezimalanzeigen, in denen Stunde, Zehnminuten und Minuten jeweils mit einem Strich gezählt werden. Oder gar Zifferblätter, die nur die Stunde anzeigen. Allerdings sind solche Anzeigen nicht immer einleuchtend oder leicht abzulesen. Im Gegenteil: Der Pfad zwischen Spielerei und Nutzwert ist schmal. So hatte Gerald Genta, der Erfinder der retrograden Modifikation, zuerst gar nicht an eine Zeitanzeige gedacht. Vielmehr wünschte sich der Sultan von Brunei für ein Golfturnier eine Uhr mit einer Besonderheit. Genta installierte einen Golfspieler auf dem Zifferblatt, der zu jeder vollen Stunde seinen Schläger im Halbkreis schwang. Aus dieser Idee entwickelte er später die besagte retrograde Anzeige.
Der 76jährige Schweizer, der über Jahrzehnte die Uhrenszene als Gestalter dominiert und für Audemars Piguet, IWC, Patek Philippe und Bulgari gearbeitet hat, findet es langweilig, "wenn sich die Zeiger immer nur im selben Tempo über die Runden schleppen". Wie aufregend dagegen sei es, wenn ein Zeiger plötzlich zurückspringt, "wie ein Peitschenschlag, damit der Zuschauer aufwacht", sagt Genta.
Ausgefallenes für 100.000 Euro
Felix Baumgartner, ein unabhängiger Uhrmacher, achtet dagegen bei seinen Uhren darauf, dass die Anzeige vor allem eines ist: benutzerfreundlich. Urwerk heißt die Firma des Schweizers, die Zeitmesser mit drei drehbaren Würfeln herstellt, die wie Satelliten um ein Zentrum kreisen. Dabei ziehen sie ähnlich einem Zeiger über einen Kreisausschnitt mit Minutenskala und geben so die Zeit an. Auf jedem der Würfel sind Stundenziffern graviert und wenn einer bei 60 Minuten die Minutenanzeige verlässt, kommt der nächste für die folgende Stunde.
Weil sich dieses Schauspiel nur im unteren Drittel des Zifferblatts abspielt, braucht man den Arm zum Ablesen kaum zu drehen. "Nach kurzer Eingewöhnung kann man die Zeit mit einem Einzehntel-Sekunden-Blick erfassen, weil man nur eine Zahl sieht und die Anzeige viel langsamer läuft als bei normalen Uhren. Das Kommen und Gehen der Stunden gibt ein ganz anderes Zeitgefühl", sagt Baumgartner. Wer aber nicht die etwa 100.000 Euro für eines seiner Modelle übrig hat, der muss weiterhin nach dem althergebrachten Zeitgefühl leben.