Welt der Mode "Vivienne hasst den Berlin-Look"

Die Stardesignerin Vivienne Westwood, die seit 1993 an der Berliner Universität der Künste Nachwuchsdesigner ausbildet, ist zur Jahrespräsentation ihrer Studenten angereist.

Manchmal werden auch Stardesigner ein wenig verlegen. Das passiert zum Beispiel immer dann, wenn einer von ihnen in Berlin zu Besuch ist und gefragt wird, in welcher modischen Liga die Hauptstädter nach seiner Ansicht spielen. "Ich habe das Glück, dass ich das noch nicht beurteilen kann", zog sich erst kürzlich Giorgio Armani ganz diplomatisch aus der Affäre. Er habe einfach noch keine Zeit gehabt, sich in der Stadt umzuschauen, meinte der Italiener sichtlich erleichtert. Dabei lächelte er leicht süffisant.

Die britische Modeschöpferin Vivienne Westwood, die bereits seit 1993 an der Berliner Universität der Künste Nachwuchsdesigner ausbildet, lässt dagegen keinen Zweifel an ihrer Meinung über den Geschmack in der Hauptstadt. "Vivienne hasst den Berlin-Look", sagen ihre Studentinnen. Träger des typischen "Berlin-Look" verwechseln immer noch gerne "lässig" mit "nachlässig". Unter bestimmten Szenegängern gilt es einfach nicht als schick, sich schick zu machen.

Modemacherin Westwood (62) lässt kaum ein gutes Haar am Kleidungsstil ihrer Mitmenschen. "Die Welt leidet unter Uniformität", sagte die britische Designerin am Freitag in Berlin. Mittlerweile mache es keinen Unterschied mehr, wo auf der Welt man sich befinde. Überall sähen die Leute gleich aus. "Wenn ich mal jemand Attraktiven sehe, dann ist er meist über 70 Jahre alt", meinte Westwood.

"In Berlin liegt die Zukunft der Mode"

Dabei hatte Berlin in den 20er Jahren in Sachen Mode fast so einen klangvollen Namen wie Paris. Am Hausvogteiplatz in Berlin Mitte stand einst die Wiege der Konfektion. 1837 hatten dort Hermann Gerson und die Gebrüder Manheimer mit der Herstellung von Bekleidung in Serie begonnen. Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren 25.000 meist jüdische Mitbürger in der Berliner Konfektionsindustrie tätig. Doch mit Verfolgung und Krieg brach der Modemarkt zusammen. Nach 1945 gehörten Modeschöpfer wie Uli Richter und Heinz Oestergaard zur internationalen Szene. Dann erschwerte das Mauer-Dasein Berlins vielen Couturiers den Einstieg ins große Geschäft. Erst mit der Wende ging es langsam wieder aufwärts.

Mittlerweile tut sich wieder jede Menge in der Modeszene. "In Berlin liegt die Zukunft der Mode", meint Karl-Heinz Müller, Geschäftsführer der Messe "Bread & Butter" für junge Alltagsmode, die an diesem Wochenende zum zweiten Mal in der Hauptstadt über die Bühne ging. Aus der Sub- und Jugendkultur entwickelten die Berliner Designer Mode, die Trends setze, sagt Müller. "Da sehen wir einen tollen Nährboden."

Große Namen zieht es wieder in die Hauptstadt

Mit schrillen, eigenwilligen Kreationen locken die oft in Berlin Mitte ansässigen, jungen Designer Kundschaft an. Daniel Rodan hat mit seinen Leder-Outfits schon Tina Turner und die Scorpions eingekleidet. Er experimentiert aber auch gerne mal mit Kaffeefiltern und Staubsaugerbeuteln. Jörg Pfefferkorn kreiert auseinander nehmbare Multifunktionswesten, die auch als Tasche genutzt werden können. Rund 50 Firmenneugründungen gebe es jährlich in Berlins Modebranche, sagt der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, Hans Estermann. Insgesamt fertigen zurzeit rund 180 Kleinunternehmen sowie vier größere Betriebe Bekleidung.

Auch die großen Namen zieht es wieder in die Hauptstadt. Hugo Boss präsentierte hier in der vergangenen Woche seine neueste Kollektion. Vivienne Westwood schickte ihre Modeklasse mit den Diplom-Kreationen auf den Laufsteg. Mit knapp 300 Ausstellern ging am Sonntag «Bread & Butter» zu Ende. Internationale, junge Designer zeigten dort für Einkäufer aus aller Welt die neuesten Trends in den Bereichen "Urbanwear" und "Street Couture". Bereits zum fünften Mal wurde der "Walk of Fashion" organisiert, bei dem 100 Models die Straßen im Szeneviertel rund um den Hackeschen Markt in der Berliner Innenstadt zum Laufsteg machen.

Wieder Modehauptstadt werden

Am kommenden Wochenende können die neuesten Modetrends bei der "Coral Fashion Show" am Brandenburger Tor bewundert werden. Und: Mehr als 80.000 angebliche "Modemuffel" sahen in den vergangenen Wochen die Werkschau von Giorgio Armani in der Neuen Nationalgalerie. Erst kürzlich erwarb die Stiftung Preußischer Kulturbesitz außerdem die berühmte Sammlung von Martin Kamer und Wolfgang Ruf mit 700 Kostümen und 800 Accessoires aus dem 18. bis 20. Jahrhundert.

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