"Wach" Ein Ausbruch aus dem Teenie-Alltag: Schlafentzug statt Drogen

Von Johannes Zimmermann
Zwei junge Frauen tanzen Arm in Arm in einem Club unter grellem Licht
Nike (Alli Neumann) und C. (Jana McKinnon) wollen so lange wach bleiben, wie es geht. In der ersten Nacht ist Party angesagt.
© ZDF / Clara Nebeling
Ich mache ja auch Musik und bin mit 15 tatsächlich von Zuhause mehr oder weniger abgehauen, bin nach Hamburg gegangen, habe die Schule abgebrochen und dachte ‚Jetzt gehts mal so richtig los, jetzt starte ich als Superstar durch’.
Das war falsch. Dann habe ich auch ein paar komische Leute kennengelernt und mich selbst ganz falsch eingeschätzt und auch wie weit ich bin. Und dann bin ich mehr oder weniger enttäuscht wieder zurückgegangen und habe meine Schule fertig gemacht. Das war aber auf jeden Fall eine gute Erfahrung, weil ich dann wusste, dass ich mein Leben für mich selber lebe und nicht für die Lehrer und meine Eltern, sondern mich zum ersten Mal irgendwie als selbstständiger Mensch wahrgenommen habe und nicht als Haustier. Und deswegen ja: Grundsätzlich war es eine gute Sache.
Also meine Figur C. wächst mit einer alleinerziehenden Mutter auf und die kann halt eigentlich nicht so richtig da sein für sie. Also auch wenn sie es wahrscheinlich gerne wäre. Aber C. ist halt wahnsinnig viel alleine. Und vor allem bevor sie Nike kennenlernt ist sie sehr viel alleine und muss sich sehr viel mit sich selbst beschäftigen.
Also meine beiden Hauptfiguren C. und Nike kommen aus ähnlichen Verhältnissen wie ich. Bei mir waren die Häuser nicht ganz so hoch, ein bisschen niedriger. Aber das Umfeld war ähnlich und einfach dieses Gefühl, dass einem suggeriert wird, dass aus einem nichts werden wird. Das hatte ich definitiv auch, auch wenn meine Mutter alles gegeben hat, einzureden, dass ich alles kann. Und irgendwie hatte sie ja dann auch ein bisschen Erfolg damit. X
"Wach" ist der erste Film des früheren "Echt"-Sängers Kim Frank. Er beschreibt die Reise zweier Mädchen in den Exzess – ganz ohne Drogen. Der Absturz kommt trotzdem.

Der ehemalige Sänger von "Echt“ hat schon vieles gemacht: Musikvideos gedreht, sich an der Schauspielerei versucht und eine eigene Soloplatte aufgenommen. Doch erst jetzt hat Kim Frank seine Bestimmung gefunden, wie er sagt: Er ist Filmemacher. Sein erster eigener Film heißt "Wach" und der Name ist Programm: Zwei Teenager bleiben darin wach, solange es geht. Wieso? Weil sie es können. Sie wollen ihre Grenzen austesten und nehmen das alles mit einer Kamera auf.

Vollgedröhnte Teenies?

Der Zuschauer ist dabei, als sich Nike (Alli Neumann) und Charlie (Jana McKinnon), 17-Jährige, die sich als 20-Jahrige ausgeben, zu diesem Experiment entschließen. Sie wollen weg von zu Hause, weil sie sich nutzlos fühlen und keiner sie versteht. Ihr Ausbruch wird eine Reise im Rausch, auch ohne Drogen. Dafür mit anderen Gefahren, mit Betrug und mit Verzweiflung. Manchmal fühlt man sich als Zuschauer, als sei man der einzige Nüchterne inmitten einer Gruppe vollgedröhnter Teenies. Und das liegt nicht nur an der wilden Kameraführung, die authentische und stimmungsvolle Bilder liefert und mit der sich Nike und Charlie scheinbar selbst filmen. Die Freundinnen klauen Klamotten, verlieren Geld, stehlen Geld, feiern mit fremden Jungs, haben wilden Sex und sind hinterher ziemlich am Ende. 

Leider dauert es einige Zeit, bis der Film an Fahrt gewinnt. Lange verstehe ich als Zuschauer nicht, worum es geht und was die beiden Mädels antreibt. Spannend wird es, sobald sie in richtige Probleme kommen: Wenn sie verbotene Sachen tun und aus ihrem leichtsinnigen Reißaus endlich ein Höllentrip wird. Wieso sie das alles tun, kann der Zuschauer aber nur vermuten. Die Vorgeschichte der Beiden bleibt weitestgehend im Dunklen. Was die beiden schon durchgemacht haben in ihrem Leben, erfährt man nur andeutungsweise. Daher ist es schwer nachzuvollziehen, was in ihnen vorgeht. Ist der Film nun Resignation oder eine Kampfansage? Ich weiß es nicht. Ein paar mutige Statements hätten gut getan.

"Wach" von Kim Frank erscheint am 17. September auf Youtube und läuft am 18. September um 0.05 Uhr im ZDF.

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