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S'Arenal revisited Wie es ist, nach 25 Jahren den gleichen Urlaub wie mit 18 zu machen

S'Arenal 2017
S'Arenal 2017: Eine erstarrte Betonwunderwelt aus der Frühzeit des Tourismus
© Julian Stratenschulte/ / Picture Alliance
S'Arenal war der erste magische Ort, der uns Freiheit, Italienerinnen und jede Menge Kopfschmerzen bereitet hat. Früher mal. Nach 25 Jahren waren wir wieder da: im gleichen Ort, im gleichen Hotel. Und es hat sich nichts verändert - auf den ersten Blick.

Sogar unsere Disco nebenan existiert noch: Das "Yes" - leider verwaist, vermüllt, verrammelt und keiner der Nachbarn erinnert sich daran, dass es jemals offen gewesen wäre. Früher haben wir* hier neben Kunstpalmen Lumumba getrunken, auf weißem Kachelboden zu Neneh Cherrys "Buffalo Stance" getanzt und über die letzten Pudeldauerwellen in weiten Karottenjeans gelästert. Nun stehen wir hier, 25 Jahre später, an der Avenida Europa in S'Arenal und können unser Glück kaum fassen: Alles ist so, wie wir es verlassen haben. Als sei das Örtchen, in dem wir die ersten zwei erwachsenen Wochen unseres Lebens verbracht hatten, in einen Dornröschenschlaf gefallen. Nur um von uns in alter Schönheit wachgeküsst zu werden.

S'Arenal: Schön ist woanders

Wobei. Schönheit trifft vielleicht nicht so richtig. Arenal, in den 60er Jahren zu einer der berüchtigten Bettenburgen Mallorcas hochgestapelt, stand schon immer im Ruf, Massenabfüllanlage für sonnenbrandhungrige Billigheimer zu sein. Was auch genau der Grund dafür war, warum wir unbedingt dahin wollten. 640 D-Mark (heute 320 Euro) kostete der Spaß damals. Ein Schnäppchen selbst für uns angehende Abiturienten. Morgens Strand, abends Drinks, nachts Party. Mehr wollten wir nicht. Flug ab Hannover, zwei Wochen Hotel "Torrente". Weil an der Leuchtreklame das "T" kaputt war, hatten wir es "Orrornte" genannt, was der Sache auch näher kam.

Torrente Manaus
Gleiches Hotel, früher und heute. Links: Einer unser beiden Architekten 1989, rechts: der Autor
© Privat

Die Zimmer waren spartanisch, das Frühstück erfüllte gerade eben noch so seinen Stättigungszweck. Und der Pool war so trüb, dass wir erst nach ein paar Tagen gemerkt hatten, dass jemand einen Campingstuhl darin versenkt hatte. Mittlerweile heißt das Hotel "Manaus", die Außenfassade ist zitronengelb statt ockerfarbend und am Pool gibt es einen Stuhl für Behinderte, der Rest - mehr oder weniger derselbe. In der Lobby: immer noch diese süßlich-scharfe Duftmischung aus Pfeifentabak und Chlorreiniger. Am Pfeiler neben dem Empfangstresen: immer noch die Glasvitrine mit dem Kristallkitsch darin und an der Ecke gegenüber: immer noch die gleiche holzbeschlagene Hamburgueseria.

Wir wollen exakt das, was wir 1989 schon hatten

Da sind wir also wieder am südlichen Ende von Arenal, dort, wohin sich kein Einheimischer verirrt und eigentlich auch sonst niemand, der die Insel mehr als einmal besucht. Denn es gibt ja diese wunderschönen Ecken mit den Tipptop-Anlagen und den sagenhaften Buchten. Aber die kann jeder. Wir wollen exakt das, was wir 1989 schon hatten: Sonne, einen Ort mit Party, irgendein Hotel. Nein, stimmt nicht. Wir wollen exakt diese Sonne, exakt diesen Partyort und exakt dieses Hotel. Am besten mit exakt denselben Zimmern. Die mit dem Ausblick auf den Nachbarbetonklotz, in dem die Gäste jeden Abend mit dem Ententanz bespaßt wurden.

Natürlich hatten wir die Musik von früher dabei. Zum Beispiel einen Acidhouse-Mix vom DJ-Weltmeister Orlando aus dem Riu Palace. Gefällig aufgepeppt mit Lil' Louis, Technotronic, Soul II Soul - das war mal heißer Scheiß. Die Kassette gab es zu dem Gratisdrink und dem Gratis-Pink-Panter-Muskelshirt. Die Hemden sind längst verschollen, die Musik ist digitalisiert, nur unsere Zimmer waren weg, genau wie die magischen Momente. Natürlich.

Hamburger Braterei
Drei von hinten, 1989. Die  Hamburger-Braterei gibt es immer noch und sie sieht auch noch genauso aus
© Privat
Am Strand von El Arenal
Alle vier von vorne 25 Jahre später
© Privat

Es ist nicht so, dass wir vier ernsthaft erwartet haben, noch einmal den ganzen Quatsch wie früher zu machen. Wobei wir schon ein wenig darauf hoffen. Aber mittlerweile sind wir eben die Eltern, deren Kinder das erste Mal alleine in den Süden fliegen und nicht umgekehrt. Angestachelt von San Miguel in 1-Liter-Flaschen, sind wir damals rücklings auf allen Vieren älteren Damen hintergekrebst und haben per Hochsprung-Flop versucht, in einem vorbeifahrenden Wagen einer Touri-Bimmelbahn zu landen. Früher fielen wir am Strand einfach von einer Rambazamba-Bude in die nächste, mittlerweile stehen wir einem der unzähligen Mini-Mercados, und nerven uns gegenseitig mit Diskussionen darüber, ob wir lieber zwei Dosen Bier nehmen sollen oder vielleicht doch den Eimer mit Batida de Coco.

Unsere Ecke in Arenal sieht vielleicht genauso aus wie vor 25 Jahren, aber sie ist es längst nicht mehr. Ein wenig so wie wir. Damals gab es auch den Ballermann noch nicht. Das heißt, die Strandbude mit Touristen drum herum gab es schon, aber kein Ikke Hüftgold, kein Eimersaufen und kein "Scheiß drauf! Malle ist nur einmal im Jahr!" Wer auch in Spanien nicht genug von Deutschland kriegen konnte, war gegenüber in der Schinkenstraße. Wir nur ungern. Stattdessen stromerten wir durch die zahllosen Bars und Diskos, die es damals an jeder Ecke gab. Sie waren selten gut, meistens nah und immer voll. Doch die sind alle weg. Jetzt: ein paar Cafés, Restaurants und Auto-Vermietungen, das war's. Eine erstarrte Betonwunderwelt aus der Frühzeit des Tourismus, der sich vermutlich bald der Denkmalschutz annimmt.

Alles Richtung Ballermann wegdiffundiert

Die ganze Mittelmeer-Abend-Unterhaltung ist vollends Richtung Ballermann 6 wegdiffundiert. Keiner von uns kann sich daran erinnern, ob wir 1989 jemals im Bierkönig waren, diesem unheiligen Gral deutscher Feierbiestigkeit. Gegeben haben soll es ihn jedenfalls schon. Aber weil wir den Partygeist von damals wiederbeleben wollen, bleibt uns nicht viel anderes übrig, als genau dorthin zu gehen, wo es wehtut. Hätte auch der Megapark sein können. Im Oberbayern waren wir gleich am ersten Abend. Zum Schrecken einiger, missfiel es uns nicht allen gleichermaßen. Auch das ist anders. Früher haben wir genommen was da war, heute haben wir sowas wie Ansprüche. Früher waren wir nie weiter vom Hotel entfernt als drei Kilometer, heute leihen wir uns Fahrräder und fahren nach Palma. Schöne Stadt. Aber eben nicht S'Arenal.

Zu unserem 50. Jubiläum fahren wir auf jeden Fall wieder hin. Ist schon beschlossene Sache. Das wird im Jahr 2039 sein und unser Lehrer feiert dann seinen 70. Geburtstag. Dann wird nichts mehr sein mit "Och, ein Drink geht noch." Auch nichts mit: "Boah, ist die Musik scheiße, lass uns woanders hin." Oder: "Guckt die mal an, die sind ja süß." Dann werden wir endgültig selbstzufrieden vergreist sein. Genau wie dieser erste magische Ort, der uns Freiheit, Italienerinnen und jede Menge Kopfschmerzen bereitet hat. Aber, scheiß drauf, Malle ist nur einmal alle 25 Jahre.

*Unsere Namen Dirk, Jörn, Nils und Niels spielen im weiteren Verlauf keine Rolle.

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