Ich hatte mal eine Freundin in Frankfurt, die jahrelang eine Wochenendbeziehung mit ihrem Freund in Stuttgart führte. Eine andere Freundin pendelte für ihre Fernbeziehung sogar eine Weile nach Mailand. Für mich war das unvorstellbar: viel zu anstrengend, würde ich nie machen, dann lieber eine Trennung, dachte ich immer. Bis ich für mein Studium in eine Stadt zog, die 200 km von meinem Freund entfernt war. Eine Trennung erschien plötzlich doch nicht mehr so einfach. Also wagten wir die Wochenendbeziehung.
Am Anfang mussten wir uns an die neue Situation gewöhnen: kein zusammen Aufwachen, keine gemeinsame Mittagspause, kein spontaner Kinobesuch. Aber nach ein paar Monaten stellten wir beide fest: Eine Wochenendbeziehung ist gar nicht mal so übel. Vor allem, weil wir wussten, dass es nach zwei Jahren ein Ende haben wird.
Unter der Woche hatte ich Zeit für mich selbst
Klar, eine Wochenendbeziehung kann anstrengend sein: längere Zugfahrten, worunter Freizeit und Geldbeutel leiden, keine spontanen Übernachtungen und ständiges Planen und Koordinieren, wer wann zu wem fährt. Aber was man auch bedenken muss: Unter der Woche ist man so gezwungen, Dinge ohne den Partner zu unternehmen – und das muss kein Nachteil sein, das weiß ich jetzt. Denn die Zeit ohne einander führt manchmal dazu, dass man seine Freunde häufiger sieht, mehr Sport macht oder auch einfach mal Zeit für sich alleine hat.
Versteht mich nicht falsch – diese Dinge sollte man auch tun können, wenn man keine Wochenendbeziehung führt. Aber bei mir ist es so: Ich würde immer lieber mit meinem Partner etwas unternehmen als ins Fitnessstudio zu gehen. Ich würde mich wahrscheinlich sehr selten aktiv gegen ein Treffen mit ihm entscheiden, "nur" um Zeit mit mir selbst zu verbringen. Und wenn mich eine Freundin spontan fragt, ob ich noch etwas trinken gehen möchte, mache ich das eher dann, wenn nicht gerade mein Freund in meiner Küche sitzt. Unter der Woche hat man also genug Zeit, um sich um alles zu kümmern, was hin und wieder auf der Strecke bleibt. Und vor allem hat man genug Zeit, um sich zu vermissen, und sich so richtig auf das bevorstehende gemeinsame Wochenende zu freuen. Das hat unserer Beziehung jedenfalls nicht geschadet.
Wie meine Wochenendbeziehung funktioniert hat
1. Teilt euch die Kosten für die Fahrten. Egal, wer von uns beiden schließlich den Weg auf sich genommen hat – die Kosten haben wir uns immer geteilt. Wir waren beide lieber in der Stadt, in der ich gewohnt habe – und das sollte nicht zu seinem Nachteil sein. Schließlich haben wir beide von der gemeinsame Zeit profitiert.
2. Lasst euren Partner an eurem Alltag teilhaben: Ich habe meinem Partner meine Uni gezeigt und wenn wir beide arbeiten mussten, sind wir zusammen in die Bibliothek und haben mit meinen Kommilitonen in der Mensa gegessen. So konnte er sich meinen Alltag besser vorstellen und war sogar ein bisschen Teil davon.
3. Plant das Wochenende nicht komplett durch und lasst Zeit fürs Nichts-tun oder Spontanität. Man muss keine drei Abende hintereinander essen gehen oder besonders coole Ausflüge gemeinsam unternehmen. Das haben wir nach den ersten gemeinsamen Wochenenden festgestellt. Genießt einfach die Nähe und macht, wonach ihr euch fühlt – selbst wenn das bedeutet, das ganze Wochenende im Bett zu verbringen.
4. Stellt nicht zu hohe Erwartungen an euch selbst und euren Partner: Es ist auch okay, wenn der Partner mal schlechte Laune hat oder ihr euch streitet. Am Anfang unserer Wochenendbeziehung hatten wir die unrealistische Erwartung, dass wir 48 Stunden gut drauf sind, und alles schön und gut ist – das hat uns ziemlich unter Druck gesetzt. Irgendwann haben wir akzeptiert, dass schlechte Laune und Streit auch dann okay sind, wenn man sich schon länger nicht gesehen hat.
5. Nehmt euch auch unter der Woche die Zeit für einander. Die ganze Woche Uni, Arbeit, Sport und drei Verabredungen am Abend – da kann es schnell passieren, dass man sich mal vier Tage nicht richtig beim Partner meldet. Mal ist das sicherlich okay, aber wir haben auch festgestellt, dass man sich so neben der räumlichen Distanz auch emotional voneinander distanziert. Also haben wir auch an vollen Tagen versucht, wenigstens kurz anzurufen – oder wir haben uns nach solchen stressigen Tagen für ein längeres Telefonat verabredet.
6. Legt Rituale fest: Morgens eine Guten-Morgen-Nachricht, bei Netflix die gleiche Serie schauen oder vor dem Einschlafen kurz telefonieren und vom Tag erzählen: Findet Dinge, die ihr gemeinsam machen könnt – trotz der räumlichen Distanz. Uns haben diese Rituale geholfen, Nähe zu schaffen.
7. Stichwort: Sexualität. Die Sehnsucht nacheinander hat uns sogar zu besserem Sex verholfen. Uns war aber auch klar: wenn es nicht klappt, dürfen wir uns nicht verrückt machen, denn das setzt uns nur unter Druck. Außerdem gibt es ja auch noch Alternativen wie Sexting für unter der Woche.
Kein Vertrauen = keine Wochenendbeziehung
Diese Tipps haben uns nur geholfen, weil von uns beiden die Bereitschaft da war, einer Wochenendbeziehung die Chance zu geben. Mir war wichtig, dass mich mein Partner in meiner Entscheidung unterstützt, wir uns über die Dauer der Wochenendbeziehung einig sind, und über unsere gemeinsame Zukunft nach den zwei Jahren sprechen. In erster Linie muss also eine gesunde Basis vorhanden sein, damit eine Beziehung über eine gewisse Entfernung überhaupt funktionieren kann – davon bin ich überzeugt.
Wenn die Partnerschaft eh schon geprägt ist von Eifersucht, mangelndem Vertrauen, Missverständnissen und ständigen Konflikten, macht die Distanz wahrscheinlich alles nur noch komplizierter. Unter der Woche lebt man schließlich ein Leben, in das der Partner nicht so richtig integriert ist: Man trifft Freunde, von denen der andere bisher nur die Namen kennt, geht in Bars und Cafés, in denen der andere noch nie war und erlebt Situationen im Alltag, von denen man sich nur über WhatsApp erzählen kann. Dass es für uns also zwei Jahre lang gut funktioniert hat, lag vor allem daran, dass wir uns voll und ganz vertrauen konnten.