Profi-Redner verrät seine Tricks Reden lernen: Wie man jeden in zehn Minuten von sich überzeugt

Chris Anderson auf der Bühne
Chris Anderson weiß, wie man Reden schwingt
© Wikipedia
Inspirierend, lustig, smart: Auf der Ted-Konferenz laufen rhetorische Meisterstücke. Ihr Chef Chris Anderson verrät, wie man sein Publikum packt. 

Die Ted-Talks sind dafür berühmt, dass die nerdigsten Forscher die unterhaltsamsten Vorträge halten. Die Videos bekommen schon mal über zehn Millionen Klicks. Oft coachen sie Redner monatelang und feilen an den Vorträgen, es gibt sogar eine Generalprobe. Wie wird ein Vortrag so richtig gut?

Machen Sie Ihren Zuhörern ein Geschenk: jenes, dass sie danach mehr verstehen. Das erreichen Sie, indem Sie etwas Persönliches von sich erzählen. Geschichten haben eine unglaubliche Macht.

Angenommen, ich habe meinen ersten Arbeitstag und soll mich vorstellen. Die meisten sagen ihren Namen und was sie studiert haben. Was wäre besser?

Am besten wählt man eine kleine persönliche Geschichte über sich aus, die erzählt, wofür man brennt. Aber nicht zu lange reden das Geheimnis ist, nicht zu sehr ins Detail zu gehen.

"Ich hatte die fixe Idee, ein richtig erfolgreiches Hashtag bei Twitter zu erfinden. Also habe ich es getan, lief super." Auch nicht so sympathisch, oder?

Nein, man sollte vermeiden, Eigenwerbung zu machen, arrogant rüberzukommen oder anzugeben.

Wieso sind Vorträge und Präsentationen oft so langweilig?

Man muss die Zuschauer neugierig machen. Wenn der Professor sagt: „Das Thema ist das und das“ , dann ist das nur langweilig. Wenn er sagt: „Habt ihr euch schon mal gefragt, wieso der Mond beim Aufgehen am Horizont so viel größer aussieht als mitten in der Nacht?“, dann wird das Thema plötzlich interessant.

Sie raten in ihrem Buch, immer über ein Herzensthema zu sprechen - im Job oder an der Uni wird einem das Thema aber meistens aufgedrückt. Was, wenn man über griechische Säulen sprechen muss?

Studieren Sie nichts, was Sie nicht interessiert. Wechseln Sie den Kurs. Es ist sehr viel interessantes Wissen da draußen. Sie finden schon eine spannende Perspektive: Warum sind es drei verschiedene Säulen? Wieso gab es die so früh? Grübeln Sie laut!

Wie viele Vorträge muss ich halten, bis ich es kann?

Ich denke, zwei oder drei Vorträge reichen, um die Kunst des Sprechens zu lernen. In diese wenigen sollte man dann aber wirklich viel Vorbereitungszeit stecken. Der Vortrag braucht einen roten Faden, alles Irritierende und Wegführende entrümpeln Sie, indem Sie den Vortrag zur Probe vor Freunden halten. Fragen Sie, woran sie hängen geblieben sind, arbeiten Sie diese Stellen heraus, üben Sie den Vortrag.Sie beschreiben in ihrem Buch eine Methode namens "Detektivgeschichte": Man zeichnet den Rechercheweg nach, bei dem man am Anfang genauso ahnungslos wie die Zuhörer war. Klingt wie eine sichere Bank, oder?

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AfD-Anwalt blamiert sich mit Redezeit
© Colonia Claudia/YouTube

Ja, die Methode mag ich tatsächlich besonders gerne. Nehmen Sie die Zuhörer auf die gleiche Reise mit, auf der Sie zur Vorbereitung waren. Das ist eine einfache, aber spannende Erzählstruktur.

Meistens weiß man ja, wie es ginge, hat aber ein bisschen rumgetrödelt und zu wenig Zeit.

Es gibt leider keinen einfachen Ausweg. Man muss einmal nachdenken, den interessanten Ansatz finden und die Zuhörer durchführen. Man kann der Einfachheit halber optische Elemente weglassen. Ein Drittel der Ted-Talks sind reine Wortbeiträge, ohne Fotos oder Videos. Die sind nicht schlechter.

Wie überspielt man es am besten, wenn man einen Blackout hat oder die Technik klemmt?

Am besten gar nicht. Sagen Sie einfach, dass Sie nervös sind. Legen Sie sich vorher einen oder mehrere Sätze zurecht, die Sie dann sagen können.

Das Rudi-Carrell-Prinzip. Der Entertainer pflegte zu sagen: Wer etwas aus dem Ärmel schütteln will, muss vorher was hineinlegen.

Genau. Man legt sich für alle Eventualitäten einen ehrlichen Satz in den Ärmel. Etwa: „Eine Sekunde. Wie Sie sehen, bin ich ein bisschen aufgeregt. Gleich geht’s weiter.“ Sehr simpel, aber wahrscheinlich bekommen Sie dafür aufmunternden Applaus und ein Publikum, das Ihnen das Beste wünscht.

Mal ganz konkret: Was ziehe ich an?

Wir von Ted empfehlen: nichts Langweiliges oder Altbackenes. Kräftige, lebhafte Farben sind gut. Bei Ted-Women trug die Bildungsexpertin Linda Cliatt-Wayman ein leuchtend rosafarbenes Kleid, mit dem sie alle Blicke auf sich zog. Ich würde nichts Graues anziehen, darauf sieht man Schwitzflecken. Wenn Sie gefilmt werden, ziehen Sie nichts Tiefschwarzes an, damit riskieren Sie, als schwebender Kopf wahrgenommen zu werden. Wenn man ein Mikroport trägt, dann keinen klappernden Schmuck und keinen Bart, beides kann am Mikro rascheln. Grundsätzlich sollte man sich etwas eleganter anziehen als das Publikum.

Auch optische Tipps für meine Folien?

Schriftgröße 24 oder größer ist ideal, schwarz auf weiß. Wenn man mit einem Bild fertig ist, empfiehlt es sich, ein schwarzes Zwischenbild einzuplanen, damit man nicht direkt das nächste Bild hat, zu dem man noch gar nichts sagt. Mehr als vier Videos in 30 Minuten sind immer zu viel.

Soll ich das Referat frei halten oder auswendig lernen?

Hauptsache, nicht halb auswendig. Ich nenne das das „unheimliche Tal“, das man durchschreiten muss. Man kann den Vortrag schon fast auswendig, und diese Teile sagt man mechanisch auf und hat auch noch Hänger. Das ist gruselig für den Zuhörer, weil er merkt, dass der Sprecher sich nicht darauf konzentriert, was er sagen will, sondern darüber nachdenkt, was als Nächstes kommt. Um einen 20-minütigen Vortrag richtig auswendig zu lernen, braucht man etwa sechs Stunden. Wenn man nicht frei sprechen will, sollte man diese Zeit investieren.

Sie sagen, die besten Redner geben mehr, als sie nehmen, sind bescheiden, selbstironisch und drehen jedes Thema ins Positive - sympathische Eigenschaften. Muss man ein guter Mensch sein, um gute Vorträge halten zu können?

Ich kenne viele, die „evil“ sind, aber tolle Vorträge halten. Man sollte immer authentisch sein, außer man ist arrogant und egozentrisch, dann sollte man sich unbedingt verstellen. Mit diesem Rat hat Bollywood-Star Salman Khan absolut recht.

Eine schlimme Idee, die sie bei einem Ted-Talk beobachtet haben?

Ein Redner gab sich große Mühe, Zitate im Dialekt des Urhebers vorzutragen. Das Publikum fand es furchtbar.

Und eine geniale Idee?

Der Astronom Clifford Stoll reduzierte seinen Vortrag auf fünf Stichpunkte. Die schrieb er auf je einen Finger seiner Hand, fertig.

Welche Talks Andersons Lieblinge sind?

Darauf möchte er keine Antwort geben – es sei ihm "schlichtweg unmöglich“, von den "Tausenden, die er gesehen hat“, die drei besten auszuwählen. In letzter Zeit habe er aber über die Argumente in diesen Talks nachgedacht:   

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