Angela Merkel will keine Feministin sein - das wissen wir spätestens, seit sie im vergangenen Jahr auf einer Konferenz genau dazu herumdruckste. Oder als sie im Wahlkampf sagte, dass Frauen in Deutschland "alles werden können, was sie wollen und genauso gute Karriere-Chancen haben wie Männer". Zur Erinnerung: Frauen verdienen auch hierzulande im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer. In den Vorständen der 30 deutschen Dax-Unternemen finden sich nirgendwo mehr als zwei Frauen. Umso erfreulicher also, dass Merkel jetzt eine kurze Rede zum Weltfrauentag online stellte - eigentlich. Denn schon der erste Satz zeigt, wie wenig die Bundeskanzlerin das Thema verstanden hat.
"Heute wende ich mich nur an Sie, liebe Frauen in Deutschland", sagt Merkel - und man möchte sofort wieder wegklicken. Warum sollte Gleichberechtigung nur Frauen angehen? Frauen allein können es nicht ändern, dass sie noch immer zum Großteil für Kinder und Pflege zuständig und dadurch finanziell von Männern abhängig sind. Oder dass sie - egal ob privat oder beruflich - oft nicht für voll genommen werden, nur weil sie weiblich sind.
Dazu braucht es Männer, die auf die Ungleichheit genauso wenig Bock haben. Die vielleicht mehr als die finanziell vorteilhaften zwei Monate Elternzeit nehmen und damit die Arbeitswelt voranbringen. Die frauenfeindliche Witze auch nicht mehr hören können. Und die sich zum Beispiel am Weltfrauentag mal kurz überlegen, was eigentlich noch schief läuft. Dafür müsste man die Männer aber auch ansprechen.
Wir brauchen eine feministische Kanzlerin
Wobei: Wirklich verpasst haben die Herren in Deutschland nichts. Merkels Rede bleibt enttäuschend lahm. "Ich darf heute schon sagen, dass das neue Kabinett sicherlich eine interessante Mischung aus Männern und Frauen sein wird", sagt sie. Aha. Wäre denn eine rein männliche Besetzung im Jahr 2018 eine ernsthafte Alternative gewesen? Dass ihr Kabinett dem männlichsten Bundestag seit 20 Jahren vorsteht und nur ein Drittel der Abgeordneten weiblich sind - auch eine "interessante Mischung".
Dabei hätte sie hier sogar Positives zu vermelden gehabt: Sechs Ministerinnen werden voraussichtlich dem neuen Kabinett angehören und damit eine mehr als noch zum Start der Regierung 2013. Immerhin. Aber so konkret wird Angela Merkel nicht. "Es gibt noch viel zu tun. Bei uns, in unserem Land, für gleiche Rechte von Frauen und natürlich auch für neue Aufgaben für Männer." Ja, es gibt viel zu tun. Und als erstes müsste sich die Bundeskanzlerin konkret zur Gleichberechtigung bekennen.
