Die russischen Behörden haben die für Donnerstag angekündigte Durchsuchung des Goethe-Instituts in Nowosibirsk kurzfristig abgesagt. Die Gründe seien nicht bekannt, sagte der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, im Deutschlandradio Kultur. Ebert wies in dem Zusammenhang auf die scharfe Kritik Deutschlands nach den Razzien bei deutschen Stiftungen in Russland hin, die möglicherweise bei den russischen Behörden Gehör gefunden habe.
Das Misstrauen der russischen Behörden habe "uns schon ein bisschen gekränkt", sagte Ebert. "Im Moment ist das natürlich alles sehr aufgeheizt - ich habe die Hoffnung, dass da wieder Vernunft einkehrt." Ebert betonte, dass das Goethe-Institut einen anderen Status als eine Nichtregierungsorganisation habe, weil es auf Grundlage zwischenstaatlicher Abkommen arbeite. "Umso wichtiger ist es, dass Organisationen wie wir und auch die Stiftungen vor Ort sind und mit den Kolleginnen und Kollegen der Nichtregierungsorganisationen eng zusammenarbeiten."
Unterdessen kritisierten Mitglieder des Menschenrechtsrates beim Kreml die Behörden scharf. "Eine Massenkampagne von Durchsuchungen bei NGOs ist beispiellos in den vergangenen 25 Jahren", sagte Sergej Kriwenko, Mitglied des Kreml-Gremiums und ranghoher Mitarbeiter der ebenfalls betroffenen angesehenen Menschenrechtsorganisation Memorial, bei einer Pressekonferenz.
Kriwenko verglich die Razzien gegen mindestens hundert NGOs in den vergangenen Tagen mit dem Druck während der Stalin-Diktatur auf die sowjetische Zivilgesellschaft. "Das kann nur mit einer Kampagne von 1929 verglichen werden, als massenhaft religiöse Organisationen dichtgemacht wurden, und mit 1937-38, als alle ausländischen Organisationen geschlossen wurden", sagte Kriwenko.
Ein weiteres Mitglied des beim Kreml ansässigen Menschenrechtsrates, Pawel Schikow, sagte bei der Pressekonferenz, bislang hätten hundert NGOs in 25 russischen Regionen von Staatsanwälten und Geheimdienstmitarbeitern während der Aktion Besuch bekommen. "Wahrscheinlich hatten sie vor, die NGOs vorübergehend lahmzulegen und einzuschüchtern", sagte Schikow, der auch Chef der Bürgerrechtsgruppe Agora ist. Menschenrechtsratschef Michail Fedotow fragte ironisch: "Wollten sie überprüfen, ob NGOs Sprengsätze bauten? Herausgefunden haben sie, dass eine Gruppe einen Plan zur Rattenbekämpfung brauchte."
Die russischen Behörden gehen seit Tagen gegen dutzende NGOs aller Ausrichtungen vor, darunter auch Amnesty International und die russische Organisation Memorial. Auch Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung in Russland waren durchsucht worden. Im vergangenen Jahr war in Russland ein neues Gesetz in Kraft getreten, nach dem sich Organisationen mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland als "ausländische Agenten" registrieren lassen müssen.