Flucht in Nordsyrien
Plötzlich Stille: Wo ist die deutsche Ex-IS-Anhängerin Elina Frizler?
Elina Frizler ist eine ehemalige IS-Anhängerin.
Seit April 2018 war sie mit hunderten weiteren IS-Frauen und deren Kindern in dem von Kurden geführten Gefangenencamp Ain Issa unweit der türkischen Grenze inhaftiert.
Durch die türkische Offensive in Nordsyrien musste die Kurdenmiliz „Syrische Demokratische Kräfte“ – kurz SDF – das Lager aufgeben – und viele inhaftierte IS-Anhänger konnten unbewacht fliehen.
Darunter auch Elina Frizler, die sich laut eigener Aussage vom IS abgewandt hat.
Die Hamburgerin mit russlanddeutschen Wurzeln kommt mit ihren zwei Söhnen Bilal und Hamza zunächst in einem Flüchtlingscamp in der Nachbarschaft unter.
Doch hier kann sie nicht bleiben, denn sie befindet sich mitten im Kampfgebiet: Im Osten sind die Kurden, im Westen die Rebellen der von Türkei unterstützten Freien Syrischen Armee und von Süden rücken Assads Truppen an.
Also macht die 29-Jährige sich auf den Weg zur 50 Kilometer entfernten türkischen Grenze.
Ihre größte Hoffnung: Über die Türkei endlich zurück nach Deutschland gelangen.
Via WhatsApp wendet sich die Hamburgerin an den stern.
OT Elina Frizler
18 „Wir waren auf dem Weg aus dem Camp. (...) Ich habe eine Schwester genommen mit ihren vier Kindern und wir sind durch die Wüste marschiert.
14 Habe hier eine deutsche Schwester. Wir sind die Deutschen, die einzigen.
21 Wir sind marschiert und einfach auf den lieben Herren vertraut und unserem Herzen gefolgt, die Wüste entlang gegangen. Ein großes Feld ohne Ende. Wie das Meer, du weißt nicht wo das Ende ist. Und am Ende haben wir Syrer getroffen, die gesagt haben, kommt Schwestern, wir bringen euch zur FSA.“
Die syrischen Rebellen nehmen die Gruppe auf ihrem Pick-Up mit in das Dorf Koramasat.
OT Elina Frizler
So sind wir dann mit den Syrern eingestiegen hinten drauf. Wir waren ungefähr 20 Frauen und 30 Kinder oder so. Dann sind wir losgefahren durch die Steine und Berge. Dann haben sie uns bei der Freien Syrischen Armee abgesetzt.
Die FSA hat den kleinen Ort einige Kilometer südlich der türkischen Grenze wenige Tage vor Frizlers Ankunft besetzt.
22 Ich hatte die weiße Flagge in der Hand und hab geweint vor Freude, dass wir in Sicherheit sind. Die haben uns freie Zimmer geöffnet. Hier ist Wasser, hier könnt ihr eure Kinder abduschen.
Zu Anfang ist Elina Frizler erleichtert über die Fürsorglichkeit der Kämpfer der FSA. Je länger sie im Dorf bleibt, desto prekärer erscheint ihr die Lage.
Auf ihre Fragen, wann sie endlich in die Türkei gebracht werde, bekommt sie keine Antwort.
OT Elina Frizler
32 Mir kommt es so vor als wenn es genau wie bei den Kurden bist. Du hast Hoffnung, dass du nach Hause kommst. Am Ende wirst du nur hin und hergeschleppt und weißt überhaupt nicht, ob du überhaupt nach Hause kommen kannst.
Die FSA sagt zu uns, dass wir morgen von hier weggebracht werden, weil das ein gefährlicher Platz. Wir sollen weggebracht werden, ich weiß aber auch nicht wohin.
Frizler berichtet, dass die türkischen Frauen von der FSA registriert werden würden – die ausländischen Frauen allerdings nicht.
OT Elina Frizler
34 Und was ist mit uns Ausländern? Die sagen anscheinend bereiten die für uns ein Lager vor. Dann werden sie verschiedene NGOs zu uns schicken. Vllt kann auch das Rote Kreuz kommen. Die könnten auch meine Unterlagen mitnehmen aus Deutschland. Dann könnte ich mit denen nach Hause fahren.
Doch dazu kommt es nicht. Elina Frizler wartet vergeblich auf Hilfe aus dem Ausland. Dazu kommt: Sie befindet sich mit ihren zwei Kindern immer noch mitten im Kampfgebiet.
OT Elina Frizler
42 Man sieht richtig die Bomben fliegen. Den Qualm. Ich habe gesagt wir müssen aufbrechen. Wir können nicht sitzen bleiben und denken, dass die uns irgendwie mitnehmen.
Frizler will es so schnell wie möglich nach Tell Abyad schaffen, eine syrische Grenzstadt, die von der türkischen Armee besetzt ist.
Doch es ist zu gefährlich und die Informationslage für die junge Mutter mehr als unübersichtlich.
Die 29-Jährige ist völlig verzweifelt. Sie macht sich große Sorgen um ihre beiden Söhne: den vierjährigen Bilal und den zweijährigen Hamza.
OT Elina Frizler
53 Jetzt sitze ich hier in diesem Gebiet und mir geht es so scheiße. Auf gut Deutsch gesagt, mir geht’s scheiße. Meine Kinder schlafen, aber die Sorgen. Die Sorgen lassen einen nicht los.
Nachdem die Türkei sich auf eine fünftägige Waffenruhe einlässt, kehrt auch in dem Gebiet rund um Elina Frizler vorübergehend Ruhe ein.
OT Elina Frizler
57 Plötzlich Waffenruhe eingekehrt. Keine Bomben keine Kugeln, nichts fliegt mehr. Nur noch die Drohnen gehört. Überwachungssystem von der Türkei. Die ganze Nacht die Drohnen gehört, die überwachen das Gebiet.
Am Tag nach Beginn der Waffenruhe werden Frizler, ihre Kinder und viele weitere von der FSA schließlich nach Tell Abyad gebracht.
In einer ihrer letzten Sprachnachrichten vom 21. Oktober sagt Elina Frizler, sie und ihre Kinder hätten es auf türkisches Staatsgebiet geschafft. Eine Bestätigung, dass sie tatsächlich in der Türkei angekommen sind, gibt aber bis heute nicht.
Bevor der Kontakt zu Elina abbricht, bittet sie ihre Familie in Hamburg, sie und ihre Kinder dringend aus der Stadt Urfa im Süden der Türkei abzuholen und mit nach Deutschland zu nehmen.
OT Elina Frizler
Die bringen uns jetzt nach Urfa. Bitte kommt schnell. Mama soll schnell kommen.
Kurz nach dieser Sprachnachricht bricht der Kontakt zu Elina Frizler ab. Seit knapp einer Woche hat sie sich weder bei ihren Verwandten noch beim stern gemeldet. Davor war sie mehrmals täglich online.
Laut eines Berichts des Senders TRT World wurden 195 IS-Frauen und ihre Kinder von der FSA noch in Syrien ans türkische Militär übergeben.
Inzwischen ist bestätigt, dass die türkischen Staatsbürgerinnen aus der Gruppe in der Türkei in Haft sind.
Was ist mit Elina Frizler und den anderen europäischen IS-Frauen aus dem Lager in Ain Issa passiert? Sind sie auch in die Türkei gebracht worden oder befinden sie sich immer noch in Syrien? Wenn ja wo und in wessen Hand? In der der FSA oder der türkischen Armee? Warum meldet sie sich nicht mehr? Möglicherweise wurde ihr das Handy abgenommen.
Das deutsche Außenministerium steht akut in der Kritik, sich nicht um die Rückführung ihrer in Syrien inhaftierten Staatsbürger gekümmert zu haben und damit zentrale Sicherheits- und Strafverfolgungsinteressen vernachlässigt zu haben.
Elina Frizler gehört zu insgesamt 124 aus Deutschland zum IS ausgereisten Erwachsenen.
Die Hamburgerin war 2013 mit ihrem Freund über die Türkei nach Syrien gereist, um sich dem IS anzuschließen.
Auf der Flucht vor dem IS wurde die 29-Jährige im Februar 2018 von den Kurden verhaftet.
Beim Generalbundesanwalt ist gegen Elina Frizler ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung anhängig.
Wenn sie nach Deutschland zurückkehrt, wann immer das sein wird, muss sie mit einer sofortigen Festnahme rechnen.