Die Türkei will in Kürze zehn Deutsche mit Verbindungen zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) abschieben, unter ihnen mehrere Frauen und Kinder. Die Bundesregierung bestätigte am Montag türkische Angaben, wonach diese Woche insgesamt zehn deutsche Staatsbürger nach Deutschland abgeschoben werden sollen. Nach Angaben des "Spiegel" sind darunter keine IS-Anhänger mit Kampferfahrung.
Nach Angaben des türkischen Innenministeriums sollten am Montag ein US-Dschihadist, ein Deutscher und ein Däne abgeschoben werden. Neun weitere Deutsche, elf Franzosen und zwei Iren würden später folgen. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte, dass am Donnerstag sieben und am Freitag zwei Deutsche abgeschoben werden sollten. Es sei aber noch unklar, ob es sich bei ihnen tatsächlich um IS-Anhänger handele.
Ein Deutscher, der schon am Montag ausgewiesen wurde, habe keine IS-Verbindungen gehabt, sagte ein Außenamtssprecher. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die Bundesregierung widersetze sich grundsätzlich nicht der Abschiebung deutscher Bürger nach Deutschland. Dies sei schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Es sei aber wichtig, dass es ein geregeltes Verfahren gebe und die Identität der Betroffenen geklärt sei.

Familie aus Niedersachsen soll abgeschoben werden
Der "Spiegel" meldete unter Berufung auf Sicherheitskreise, keiner der Deutschen habe Kampferfahrung. Bei den sieben Deutschen, die am Donnerstag ausgewiesen werden sollen, handele es sich um eine Familie aus Niedersachsen, die Anfang 2019 in die Türkei gereist war und womöglich weiter nach Syrien wollte. Am Freitag würden zwei Frauen folgen, die während der türkischen Offensive gegen die syrische Kurdenmiliz YPG aus deren Gefangenenlager bei Ain Issa geflohen seien.
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hatte in der vergangenen Woche angekündigt, die Türkei werde am Montag damit beginnen, gefangene ausländische IS-Anhänger in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Seinen Angaben zufolge befinden sich derzeit 1200 ausländische IS-Anhänger in türkischer Haft. Allein während der jüngsten Offensive der Türkei in Nordsyrien seien 287 gefasst worden, sagte Soylu.
Aus dem französischen Außenministerium verlautete, dass die Türkei schon seit Jahren gemäß einer Vereinbarung von 2014 französische IS-Anhänger und ihre Angehörigen zurückschicke. Sie würden beim Verlassen des Flugzeuges festgenommen, doch würden die Fälle nur selten öffentlich. Bei den elf Franzosen, die demnächst abgeschoben werden sollten, handele es sich zumeist um Frauen, hieß es aus informierten Kreisen.
Wie umgehen mit den Rückkehrern aus dem "Kalifat"?
Der Umgang mit den tausenden in Syrien und dem Irak inhaftierten ausländischen IS-Anhängern bereitet dem Westen seit langem Kopfzerbrechen. Allein die syrische Kurdenmiliz YPG hält im Nordosten Syriens bis zu 3000 ausländische IS-Kämpfer sowie 12.000 ausländische Frauen und Kinder in Haft. Trotz des Drängens der YPG haben die westlichen Staaten bisher nur in wenigen Fällen Staatsbürger zurückgenommen.
In der Türkei stößt die Weigerung des Westens auf Kritik, die eigenen Bürger zurückzuholen. Im Westen wiederum gab es Sorgen, dass die IS-Anhänger in kurdischer Haft den Angriff der Türkei auf die YPG in Nordsyrien zum Ausbruch nutzen würden. Tatsächlich gelang hunderten IS-Kämpfern und ihren Angehörigen während der Kämpfe die Flucht, doch wurde ein Teil davon wieder gefasst, einige durch die türkische Armee.
Erschwert wird die Rückführung der IS-Kämpfer dadurch, dass mehrere Staaten Bürgern, die sich der IS-Miliz angeschlossen haben, die Nationalität aberkannt haben. Allein Großbritannien hat mehr als hundert Menschen ausgebürgert. Gemäß dem New Yorker Übereinkommen von 1961 ist es zwar illegal, Menschen staatenlos zu machen. Einige Staaten wie Frankreich und Großbritannien haben das Abkommen aber nicht ratifiziert.
Deutschland hat zwar ein Gesetz beschlossen, das erlaubt, Dschihadisten den deutschen Pass zu entziehen, wenn sie noch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen. Doch gilt dies nur für künftige Fälle und kann nicht rückwirkend angewandt werden.