Als sie seine Kontaktanzeige in der Zeitschrift „Fit for Fun“ las, Tolga* (alle Namen mit * geändert), 22, 1,83 m, sportlich, dazu seine Telefonnummer, griff sie spontan zum Hörer. Reden liegt ihr mehr als Schreiben. Sie war damals 29, geschieden und Mutter von drei Kindern. Kurz zuvor hatte sie eine unglückliche Liebesgeschichte mit einem türkischen Mann gehabt, der sich am Ende gegen sie entschieden und eine Türkin geheiratet hatte. Marina* war darüber zwar immer noch traurig, fühlte sich aber bereit für einen neuen Partner.
Sie lud Tolga zu sich ein. Er sah gut aus, dunkle Augen und Haare. Er hatte seine Gitarre dabei, weil er zuvor bei einem Freund gewesen war, um gemeinsam Musik zu machen. Marina spielte ebenfalls Gitarre. Sie mochte diesen hilfsbereiten und sanftmütigen Mann, der nicht viel redete, lieber zuhörte, der gern kuschelte und zärtlich war. Und es zeigte sich bald, dass er auch mit ihren drei Kindern gut zurechtkam.
Sie wurden ein Paar. Sie: eine kleine Frau mit viel Energie und klaren Vorstellungen. Er: introvertiert, der Ruhepol in ihrem unsteten Leben. Dass er keine Arbeit hatte, nahm sie hin. Dafür holte er manchmal ihre Kinder vom Kindergarten und Hort ab. Dass er schnell vom Alltag überfordert war, das, so dachte sie, ließe sich ändern. Sie unterstützte ihn. Und verteidigte ihn, wenn jemand seinen Lebensstil kritisierte. Wichtig war doch, dass sie ihn mochte. Sie brauchte keinen Ernährer für sich und ihre Kinder. Bald zog Tolga bei ihr ein.
Wenn Marina heute im Interview über diese erste Zeit spricht, wird deutlich, wie glücklich sie damals war, sie lacht immer wieder, gestikuliert mit den Händen, und manchmal springt sie sogar auf, wenn sie eine Szene von damals nachspielt.
Sie war einige Monate mit Tolga zusammen, als sie sein aufgeschlagenes Tagebuch sah. Er schrieb darin über Sex mit einem Mann. Sie stellte ihn zur Rede. Er verteidigte sich, man dürfe doch wohl mal etwas ausprobieren, aber er war ihr verbal nicht gewachsen. Er wurde wütend und schubste sie. Es war das erste Mal, dass sie von einem Mann körperlich angegangen wurde.
Marina hatte von Frauen gehört, die von ihren Partnern geschlagen wurden und den Männern immer wieder verziehen. Alles Co-Abhängige mit Helfersyndrom, davon war sie überzeugt. Sie würde sich von keinem Mann angreifen lassen. Noch am selben Tag setzte sie Tolga vor die Tür.