Syrien-Konflik

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Nordsyrische Stadt zurückerorbert So feiern die Menschen in Manbidsch die Befreiung vom IS

Nach der Entführung von etwa 2000 Zivilisten im nordsyrischen Manbidsch hat die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) nach Angaben von Aktivisten hunderte Geiseln freigelassen. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sowie Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zudem am Samstag erklärten, wurde der IS vollständig aus Manbidsch vertrieben. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schlug eine Luftbrücke für die leidenden Menschen im belagerten Aleppo vor.



Nach wochenlangen erbitterten Kämpfen hatten die SDF, ein kurdisch-arabisches Bündnis, Manbidsch Anfang August erobert und die meisten Dschihadisten aus der Stadt vertrieben. Einige wenige Kämpfer leisteten Widerstand - sie nahmen am Freitag bei ihrem Rückzug aus Manbidsch in Richtung Dscharablus nach Angaben von Rebellen und Aktivisten 2000 Zivilisten als Geiseln.



Viele der Zivilisten seien von den IS-Kämpfern als menschliche Schutzschilde missbraucht worden, um etwa Angriffen zu entgehen, erklärte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Andere seien aber auch "freiwillig aus Angst vor Repressalien" seitens der SDF-Allianz mitgegangen. Mehrere hundert seien "nun wieder in Freiheit", erklärte die Organisation. Aus dem Umfeld der arabisch-kurdischen Allianz hieß es, einige Zivilisten hätten fliehen können, andere seien freigelassen worden.



Ob alle 2000 Zivilisten wieder frei waren, blieb am Samstag unklar. Die Angaben der in Syrien breit vernetzten Beobachtungsstelle sind nur schwer überprüfbar. Manbidsch selbst wurde von der Beobachtungsstelle sowie der SDF-Allianz für befreit erklärt. "Es gibt keinen IS-Kämpfer mehr", hieß es von Seiten der SDF. Auch die Beobachtungsstelle erklärte, in Manbidsch seien "weder Dschihadisten noch Partisanen der Gruppe". "Sie sind alle gegangen", erklärte Abdel Rahman.



Der im irakischen Erbil stationierte Sender Kurdistan24 zeigte Bilder von jubelnden Zivilisten in Manbidsch. Frauen im Nikab umarmten kurdische Kämpfer, andere warfen ihre Schleier weg und trugen lächelnd ihre Babys im Arm. Vor der Kamera verbrannte eine Frau ein langes schwarzes Kleid, das ihr von den Dschihadisten aufgezwungen worden war, einige Männer schnitten sich mit Scheren den langen Bart ab, den sie unter dem IS tragen mussten.



Ein kurdischer Kämpfer sagte AFP, der Kampf um Manbidsch sei "sehr hart" gewesen und der IS habe die Stadt vermint. Ein SDF-Kämpfer habe am Freitag ein Haus betreten und einen Schuh auf einem Koran entdeckt - was im Islam als Beleidigung gilt. "Als er ihn heruntergenommen hat, gab es eine Explosion und er wurde getötet."



Der Kampf um Syrien konzentriert sich auch auf die Metropole Aleppo, die zwischen Regierungstruppen und Aufständischen geteilt ist. Steinmeier sprach sich in der "Welt am Sonntag" für eine Luftbrücke zugunsten der dort Not leidenden Menschen aus. Die Bundesregierung sei mit der UNO, den USA und mit Russland darüber im Gespräch, wie die so dringlich gebotene humanitäre Hilfe nach Aleppo geliefert werden könne, sagte er.

Sollten beide Teile Aleppos auf dem Landweg weiterhin nur unzureichend versorgt werden können, "sollten wir auch die Möglichkeit von Hilfe aus der Luft prüfen, vor allem bei medizinischen Gütern", sagte Steinmeier. Eine Luftbrücke ist allerdings teuer und gefährlich, weshalb diese Möglichkeit in der Vergangenheit kontrovers diskutiert wurde. (AFP)
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Kölner Neujahrsnacht Wie fünf Syrer eine Studentin an Silvester retteten

Über 700 Frauen wurden an Silvester in Köln Opfer sexueller Übergriffe. So auch Caitlin Duncan. Die Studentin aus den USA war in der Nacht zusammen mit ihrem deutschen Freund Sebastian Samer am Hauptbahnhof. Sie hatten Weihnachten bei Samers Familie in der Nähe von Köln verbracht und wollten an Neujahr in der Metropole feiern.
Als sie gegen 23.30 Uhr am Bahnhof ankommen, verlieren sie einander im Menschengedränge am Eingang:
 
Caitlin Duncan
„Nachdem wir getrennt wurden, versuchte ich erst einmal durch die Masse rauszukommen. Viele Menschen versuchten in das Gebäude rein- und rauszugehen. Jemand riss mir meine Mütze vom Kopf. Und jemand zog mir an den Haaren und versuchte mir in die Taschen zu greifen. Als ich meine Mütze wieder aufsetzen wollte, hat mich jemand anders gepackt und versucht meinen Hals zu küssen.“
 
Die 27-Jährige wehrt sich und kann sich aus dem Griff befreien. Sie bittet einen Polizeibeamten in gebrochenem Deutsch um Hilfe. Zu dieser Zeit versuchen die Beamten den Bahnhofsplatz zu räumen. Der Polizist kann der jungen Frau nicht helfen.
 
Zur gleichen Zeit sind fünf Syrer am Hauptbahnhof. Hesham Ahmad Mohamad, ein Grundschullehrer aus Aleppo, verbringt mit vier Freunden Silvester in Köln. Die fünf Flüchtlinge wurden in unterschiedlichen Städten in Deutschland untergebracht. Sie treffen sich in Köln, weil die Stadt für alle gut erreichbar ist, erzählt Mohamad dem stern. Doch die Situation vor Ort ist chaotisch.
 
Der 32-Jährige und seine Freunde werden auf Caitlin Duncan aufmerksam, die allein auf dem Vorplatz steht und weint:
 
Caitlin Duncan:
„Erst hat mich Omar auf Deutsch angesprochen, doch das hat nicht so gut funktioniert. Hesham konnte gut Englisch. Ich erzählte ihm, was mir passiert ist und er versprach mir zu helfen. Sie boten mir an, mir ein Taxi zu bezahlen, falls ich Sebastian nicht finde. Dann formten sie einen Kreis um mich und halfen mir ihn in der Menge zu suchen.“
 
Zusammen finden sie ihn nicht. Also teilen sie sich auf, um an verschiedenen Plätzen zu suchen. Nach etwa einer Stunde finden sie ihn wieder:
 
Sebastian Samer:
„Es war eine Riesenerleichterung, das letzte was ich von ihr gesehen habe ist, dass sie weggeschwemmt wurde in den Mengen, sie ist ja auch recht klein ja...“
 
Das Paar macht Fotos mit den Rettern. Auch in den Tagen danach bleiben sie in Kontakt mit Mohamad. Duncan verflogt die Berichte über die Ereignisse in Köln. Dass Migranten unter Generalverdacht geraten, bedrückt sie. Deshalb entscheidet sie sich ihre Geschichte zu erzählen:


Caitlin Duncan
„An dem Abend gab es sicher Migranten oder Flüchtlinge, die andere Menschen angegriffen haben. Aber es gab eben auch Menschen mit dem gleichen kulturellen Hintergrund, die versucht haben zu helfen.“