«Jahrzehntelang gehörte der Konzern Elf zum Finanzsystem der Republik», sagt einer von Dutzenden hochkarätiger Anwälte in Paris vor Gericht. Bei dem millionenschweren Schmiergeldprozess um den früheren staatlichen Ölkonzern Elf geht es um den Filz zwischen Wirtschaft und Politik, der bis zur deutschen Leuna-Affäre reicht. «Schon de Gaulle hat die Geheimdienste mit Elf-Geldern finanziert», sagt der Anwalt.
In dem holzgetäfelten Sitzungssaal des historischen Justizgebäudes führt der 47-jährige Vorsitzende Richter Michel Desplan mit Autorität und Fingerspitzengefühl die Verhandlungen in dem Mammutprozess gegen 37 Angeklagten. Doch es ist eine fast unlösbare Aufgabe, Licht in die verschlungenen Geldströme von umgerechnet insgesamt 183 Millionen Euro zu bringen. Fast gebetsmühlenartig wiederholen die Angeklagten und ihre Anwälte: Die Finanzierung politischer Parteien mit öffentlichen Elf-Geldern sei doch «allgemein bekannt gewesen und kein Geheimnis».
Namen sind nicht zu entlocken
Auch Ex-Elf-Vorstandschef Loik Le Floch-Prigent hat zu seiner Entlastung betont, das System schwarzer Kassen habe es auch vor seiner Amtsübernahme 1989 bereits gegeben. Auch wenn er eigenes Fehlverhalten eingestanden hat - Namen, die lebende oder amtierende Persönlichkeiten in Schwierigkeiten bringen könnten, hat er bislang nicht genannt. Die damalige Nr. Zwei des Konzerns, Ex-Manager Alfred Sirven, hat den verstorbenen früheren Präsidenten François Mitterrand erwähnt, doch mehr war ihm nicht zu entlocken.
Auch Sirven gestand ein, sich persönlich bereichert zu haben - doch konkreten Fragen weicht er immer wieder aus und verliert sich in Allgemeinplätzen. «Was ist aus den 53 Millionen Euro auf ihren Schweizer Konten geworden?», fragt der Richter. Sirven spricht von «physischer Trennung» des nachweislichen Geldflusses. Er habe das Geld «in zwei großen Säcken» aus einer Bank getragen, sei damit in ein Auto gestiegen und zur einer anderen Bank gefahren.
«Gerade so viel eingestehen, wie sowieso bekannt ist»
Richter Desplan ist es bislang nur mühsam gelungen, durch die direkte Gegenüberstellung Le Flochs und Sirvens mehr zu erfahren. Die schwarzen Kassen in der Schweiz seien auf Anweisung «der Konzernspitze» eingerichtet worden, sagt Sirven. «Auf Anweisung des Vorstandschefs?», kommt sofort die Gegenfrage. «Er musste wohl Kenntnisse haben, sonst wäre die Erde viereckig», sagt der 76-Jährige. «Die Kunst besteht darin, gerade so viel einzugestehen, wie sowieso bekannt ist», sagt ein Prozessbeobachter.
Desplan behält dennoch im Dschungel der Konten und Stiftungen in Genf, Monaco und Liechtenstein den Überblick. Doch fragt er nach Nutznießern, schüttelt Sirven nur mit dem Kopf. «Die Nennung von Namen wäre dem Prozess nicht dienlich.» Desplan, der hartnäckig und streng sein kann, nimmt diese Ablehnung widerspruchslos hin. Es hat den Anschein, als ob Politiker in Frankreich wegen dieses Prozesses keine schlaflosen Nächte zu befürchten brauchen. Es sei denn, es kommt bis zum Ende des Verfahrens im Juli noch zu Überraschungen.