Der Besucher der Berliner Sex-Messe war offenkundig zufrieden mit dem Angebot: "Die Venus 2008 in Berlin war wieder ein interessantes Ereignis", notiert er in seinem Blog. "Auf der Messe gab es wieder vieles zu sehen, womit man die sexuelle Praxis bereichern kann: Peitschen, Handschellen, Gleitmittel, Dildos etc." Unter einem Foto, das den fachkundigen Gast neben einer knapp bekleideten Frau zeigt, notiert er: "Sex ist ein Geschenk Gottes und es ist wichtig, richtig damit umzugehen. Es gibt Formen des Sex, die uns zerstören, und es gibt Formen des Sex, die uns aufbauen." All das wäre nichts besonderes, würde der Besucher der Venus 2008 nicht im Talar eines Bischofs neben der barbusigen Dame stehen. Prompt landete das Bild auf der Titelseite des "Berliner Kurier", dazu die Schlagzeile: "Kirche warnt vor diesem Berliner Bischof". Scheinbar voller Stolz verkündet der Titelheld auf einem anderen Blog nicht ganz einwandfrei in Grammatik und Rechtschreibung: "Eine ganze Woche lang berichtete der Berliner in großer Aufmachung mit insgesammt 6 Artikeln sowohl in der Druckausgabe als auch online über Bischof Ralph Napierski. Das ganze war Top-Thema und Titelstory."
"Bischof Ralph Napierski" - wenn der Name in Verbindung mit dem Titel "Bischof" bei der katholischen Amtskirche genannt wird, klingeln die Alarmglocken. Der Mann mit dem Motto "Ich will nur Gutes tun" gilt dort als Nervensäge. Am Montag hat der falsche Bischof, der sich selbst für einen richtigen Würdenträger hält, seinem Ruf als Querulant Ehre gemacht - zum Verdruss der echten Kardinäle. Dem Berliner gelang es, sich für kurze Zeit unter die von der katholischen Kirche anerkannten Kardinäle zu mischen, die zur Vorbereitung der Papstwahl nach Rom gekommen sind.
"Inakzeptabel" nennt die Deutsche Bischofskonferenz das Verhalten Napierskis, will sich aber ansonsten nicht zu dem Mann äußern, der immer wieder die Wege der Gottesvertreter auf Erden kreuzt. Aufgeflogen war er in Rom, weil sein Talar zu kurz war, die Kette sich von der seiner "Kollegen" unterschied und er statt der roten Schärpe einen violetten Schal trug. Die Schweizer Garde, die den Vatikan in Renaissance-Fantasieuniformen bewacht, verwies Napierski des heiligen Ortes. "Ein Australier", wurde zunächst spekuliert. Montagabend meldeten Medien weltweit: "Falscher Bischof ist ein Deutscher".
Selbstgebastelter Bischofstitel
Napierski selbst besteht darauf, ein waschechter Geistlicher zu sein. Er nennt sich "katholischer Bischof in der apostolischen Sukzession". Auf einem seiner Blogs - es gibt diverse Internetauftritte Napierskis - hat er "Documents and Certificats" (Dokumente und Zertifikate) veröffentlicht, auf denen es unter anderem handgeschrieben heißt: "Hiermit bestätige ich (ein Geistlicher - die Red.) die Ernennung von Ralph Napierski zum Generalvikar." Er beruft sich darauf, als Mitglied eines "Internationalen Katholischen Missionsordens" in einer "eigenständigen Teilkirche der römisch-katholischen Kirche" zu sein.
Offenbar führte er deshalb einen Rechtsstreit. Auf einem Blog gibt Napierski bekannt: "Aufgrund einer Verleumdung durch Bischof Stephan Ackermann (...) wurde die Staatsanwaltschaft aktiv. Diese stellte nach Prüfung der Unterlagen von Bischof Napierski jedoch fest, dass dieser tatsächlich katholischer Bischof ist und stellte die Ermittlungen ein." Die Deutsche Bischofskonferenz sieht das anders. Ein Sprecher: "Er wird nicht im Annuario Pontificio geführt, dem Päpstlichen Jahrbuch, in dem alle rechtmäßigen katholischen Bischöfe verzeichnet sind. Daher können wir nicht erkennen, dass er in Union mit der katholischen Kirche steht."
Bizarre Verlinkungen
Die vielen Websites, auf denen sich Ralph Napierski präsentiert, machen es schwer, sich ein faires Urteil über ihn zu machen. Er könnte sowohl ein inbrünstiger Geistlicher sein als auch ein Scharlatan oder ein Satiriker - von der "Titanic" ist er nicht - oder schlicht nicht ganz bei Trost. So wendet er sich auch ernsthaften Themen zu. Zum Beispiel heißt es auf dem Blog info.ralph-napierski.de: "Jeden Tag sterben ca. 100.000 Menschen an den Folgen von Hunger! Und das obwohl es mehr Nahrungsmittel gibt als weltweit benötigt werden." Dazu ist ein Bild eines schwer unterernährten Kindes zu sehen. Darunter kommt unter "Erfahren Sie mehr über ein sinnvolles Leben" der Link zu einer Broschüre "Volltreffer" zur Fußball-WM 2006, die Fragen aufwirft wie: "Werde ich wirklich glücklich, wenn 'meine' Mannschaft gewinnt?" oder auch "Leben die Stars mein Leben - also das, was ich gern hätte? Ist Fußball für mich eine Ersatzbefriedigung?"
Ein Link führt zur "Jesus Christ University", die Basiskurse anbietet "für die wichtigste Entscheidung im Leben eines Menschen", nämlich "für ein Leben mit Gott und die Annahme der Erlösung durch das Opfer, welches Jesus Christus am Kreuz vollbracht hat". Kontakt: "Bischof Ralph Napierski". Klickt man auf der Seite des "Internationalen Katholischen Ritterordens" erscheint als Kontakt: "Bischof Ralph Napierski". Die Webseite von "Corpus Dei - Einheit aller Christen" nennt als Kontakt - man ahnt es schon: "Bischof Ralph Napierski". Dazu wird jeweils eine Postfach-Adresse in Berlin angegeben. stern.de bemühte sich um eine Stellungnahme Napierskis. Die auf den Blogs angegebene Rufnummer war über Stunden besetzt, auf Mailanfragen reagierte er nicht.
"Ich träume, also bin ich"
Bevor der Berliner beschloss, Karriere als selbst ernannter Bischof zu machen, sorgte er 2002 und 2003 als eBay-Cracker für Furore. Er schlüpfte in verschiedene Identitäten und jazzte so die Versteigerung eines Minibildchens auf zehn Millionen Euro hoch. Siegreicher Bieter war schließlich angeblich ein gewisser Gerhard Schröder aus Berlin, wohnhaft im Kanzleramt. Tatsächlich war Napierski sowohl als Anbieter als auch als Bieter aufgetreten, er outete sich damals bei "Spiegel Online". Redakteur Hilmar Schmundt stellte schon damals fest: "Es ist nicht leicht, aus dem 'seriösen, jungen erfolgreichen Mann' schlau zu werden. Auf seiner Homepage schmückt er sich mit einem Doktortitel. Auf Nachfrage sagt er, dass er an der Harrington University studiert habe - einer weltweit bekannten Briefkastenfirma, die wertlose akademische Grade an Aufschneider vertickt. Er nennt sich Computerfachmann, tippt aber mühsam mit zwei Fingern."

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Computersicherheit sei nur ein Hobby, mit dem er Geld verdiene, erklärte Napierski damals. Hauptberuflich beteilige er sich an der Erforschung des "virtuellen Realismus". Seine "Dimensionstheorie" erlaube es, "durch neue Technik eine telepathische Kommunikation" zu ermöglichen: "Ich träume, also bin ich."