Nach dem Beben in Haiti Chaos im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre

Das schwere Erdbeben in Haiti hat das ärmste Land der westlichen Hemisphäre hart getroffen. Es werden Tausende, vielleicht zehntausende Tote vermutet. Die medizinische Versorgung der Verletzten läuft schleppend.

Auf dem Parkplatz des Hotels Villa Creole in Port-au-Prince sammeln sich immer mehr Verletzte der Erdbebenkatastrophe in Haiti. Zahllose Menschen liegen in den Zelten auf blutgetränkten Laken. Sie leiden unter Schnittwunden am Kopf, gebrochenen Knochen oder zerquetschten Rippen.

Viele bleiben ohne Behandlung, es gibt zu wenig Ärzte auf dem Parkplatz. "Ich kann es nicht mehr ertragen", klagt Alex Georges, der jetzt schon mehr als einen Tag auf Hilfe wartet. "Mein Rücken tut zu weh." Gleich neben dem 28-Jährigen liegt der tote Körper eines etwa gleichaltrigen Mannes, der vergeblich auf medizinische Versorgung gehofft hatte.

Als das Beben am Donnerstagnachmittag zuschlug, war Georges in einem Seminar mit etwa 30 anderen Studenten im Stadtteil Morne Hercule. Das Dach des Hochschulgebäude brach ein. Elf Studenten waren sofort tot, die anderen wurden verletzt.

Das ärmste Land der westlichen Hemisphäre ist völlig überfordert mit der chaotischen Situation nach dem Erdbeben der Stärke 7,0. Überall sind Gebäude eingestürzt - darunter Krankenhäuser, Schulen, Kirchen und selbst der Präsidentenpalast. Über der Hauptstadt von Haiti liegt eine Staubwolke.

Tausende, vielleicht zehntausende Tote

In der Nähe einer eingestürzten Schule wurden die Leichen von Kindern aufgestapelt. An anderen Stellen liegen die toten Körper auch Stunden nach dem Erdstoß auf der Straße. Krankenwagen umkurven die Leichen und die unter Schock stehenden Menschen, die ohne Ziel umherlaufen. Einige rufen die Namen von Angehörigen, andere rufen nach Hilfe oder beten. Am Straßenrand sitzen Verletzte mit offenen Wunden.

Auf der Website der Heilsarmee berichtet Bob Poff über die Lage in Port-au-Prince. Er sei gerade aus der Vorstadt Petionville gekommen, als die Erde zu beben begonnen habe. "Unser Lastwagen wurde wie ein Spielzeug hin und her geworfen. Als es aufhörte, sah ich aus dem Fenster, wie Gebäude den Abhang hinabrutschten." Danach kümmerten sich Poff und andere um die Bergung von Leichen.

Zur Zahl der Todesopfer gibt es keine verlässlichen Angaben. Die Behörden befürchten, dass tausende, vielleicht zehntausende Einwohner ums Leben gekommen sind. Einige sprechen schon von mehr als 100.000 Toten. Polizisten und Soldaten der UN-Friedenstruppe räumen Trümmer weg, leiten den Verkehr und kümmern sich um die Sicherheit. Aber sie können nicht verhindern, dass Plünderer durch die zerstörten Geschäfte ziehen.

Um der allgemeinen Panik zu entkommen, strömen mehrere hundert Überlebende aus der Stadt. Viele von ihnen balancieren Koffer und ihre Habe auf dem Kopf. Die Helfer bemühen sich darum, die Prioritäten zu sortieren. "Am wichtigsten ist es, verschüttete Menschen aus den Trümmern zu holen", erklärt die Leiterin der Hilfsorganisation CARE in Haiti, Sophie Perez. "Dann geht es darum, dass die Leute Nahrung und Wasser bekommen. Alles ist dringend."

APN
Jonathan Katz/APN

PRODUKTE & TIPPS