VG-Wort Pixel

Verfassungsfest Schwörmontag in Ulm – was wird da eigentlich gefeiert?

Schwörmontag und Schwörfeier in Ulm
Die Schwörfeier im Jahr 2020: Rund 250 Bürger:innen dürfen mit Corona-Abstand der Schwörrede vor dem traditionellen Schwörhaus in der Ulmer Innenstadt lauschen. In diesem Jahr wurden immerhin 500 Einladungen verschickt. 
© Felix Kästle / Picture Alliance
Jedes Jahr im Juli feiert Ulm den "Schwörmontag" vor dem traditionellen Schwörhaus in der Innenstadt. Das Fest geht auf einen Jahrhunderte alten Schwur zurück, der einst von den Nationalsozialisten zweckentfremdet wurde.

"Schwörmontag ist der Tag der Ulmer", heißt es stolz auf der offiziellen Seite der Stadt. Jedes Jahr am vorletzten Montag im Juli begeht die Stadt ihr traditionelles Volksfest und wiederholt einen Schwur, der bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht. 

In der Freien Reichsstadt Ulm schwelte damals ein Konflikt zwischen den Patriziern, also dem Adelsstand, und den Zünften, den Handwerkern. Letztere gewannen im 14. Jahrhundert nicht nur in Ulm immer mehr Einfluss und kämpften um einen Anteil an der politischen Macht. Überlieferungen erzählen von teils blutigen Kämpfen in der süddeutschen Stadt zwischen diesen beiden wichtigsten Ständen, die erst 1397 mit dem "Großen Schwörbrief" beigelegt wurden, der den Zünften eine deutliche Mehrheit im Stadtrat festschrieb.

Was wird hier geschworen? 

Seit 1397 legt der Ulmer Bürgermeister jedes Jahr vor dem traditionellen Schwörhaus der Stadt Rechenschaft darüber ab, was sich im vergangenen Jahr in Ulm getan hat. Anschließend hebt er die rechte Hand und schwört, den "Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein" – sich also für alle Bürger gleichermaßen einzusetzen. Mit dieser "Schwörformel", die seit dem Einsetzen des Großen Schwörbriefes existiert, endet die jährliche "Schwörrede", die bis heute eine Gleichstellung aller Bevölkerungsschichten beabsichtigt. 

Instrumentalisierung der Nationalsozialisten

In den Jahren des Nationalsozialismus allerdings, wurden die Festlichkeiten und der Brauch des Schwörmontags einem neuen Zweck zugeführt, der mit seinem Ursprung nicht mehr viel gemein hatte. Der am 14. August 1933 eingesetzte Oberbürgermeister Friedrich Foerster legte zwar immernoch Rechenschaft ab über die vergangenen Entwicklungen in der Stadt, die Schwörrede jedoch geriet zu einem Treuegelöbnis zwischen "Führer und Gefolgschaft", wie es in einem Schreiben der Stadt heißt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Robert Scholl, überzeugter Demokrat und Vater der Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl, den Posten als neuer Ulmer Oberbürgermeister an. In seiner Amtszeit fand keine Schwörfeier statt, auch den Schwur legte Scholl nicht ab – zu sehr war beides von der Herrschaft der Nationalsozialisten beansprucht worden. Erst 1949 wurde der Schwörakt mit Scholls Nachfolger, dem Bildungspolitiker Theodor Pfizer, wieder eingeführt – und ist heute wieder das traditionelle Fest, das alle Bürger der Stadt zusammenführen will.

Wie wird der Schwörmontag 2021 begangen?

Bis in die 1980er Jahre beschränkte sich die Schwörfeier auf die Friedrichsau, die großen Gärten im Westen der Stadt – dann verteilten sich die feiernden Ulmer über die gesamte Innenstadt. Dutzende Livekonzerte, festliches Essen und jede Menge Getränke lockten auch Touristen an. 

Nicht so jedoch am Schwörmontag im zweiten Corona-Jahr. Die Feierlichkeiten werden diesmal stark eingeschränkt, nur die Schwörfeier mit der Schwörrede des Ulmer Oberbürgermeisters Gunter Czisch (CDU) findet statt – allerdings vor einem stark eingeschränkten Publikum. Rund 650 Gäste dürfen kommen, darunter Mitarbeiter:innen von Corona-Intensivstationen und Impfzentren sowie Ärzt:innen aus Ulm und Umgebung. 500 Einladungskarten wurden unter den Bürger:innen verlost. Übertragen wird die Feier ab 10.45 Uhr live im Internet und auf den Social-Media-Kanälen der Stadt.

Auch der traditionelle Wasserumzug "Nabada" und die Lichterserenade, die einem Laternenumzug gleicht, fallen in diesem Jahr aus. Auf ihren Social-Media-Kanälen hat die Stadt dazu aufgerufen, Bilder des Lichterfestes aus dem vergangenen Jahr zu teilen.

Quellen: Stadt Ulm – Geschichte des Schwörmontags, Stadt Ulm – Schwörmontag 2021, Pressemitteilung 

Eine schwarze Sonne im Nacken: Ulm will mit Imagefilm für Diversität werben, doch das geht nach hinten los

Sehen Sie im Video: Vor zwei Jahren wollte die Stadt Ulm mit einem Imagefilm ein Zeichen für "gesellschaftlichen Diversität" setzen. Der Kampagnenfilm "Ulm – wir sind alle Vielfalt" löst stattdessen scharfe Kritik aus – im Netz und auch von lokalen Politikern.

sve

Mehr zum Thema

Newsticker