Training unter Tage Geretteter Chilene läuft New-York-Marathon

Eigentlich wollten die Veranstalter des New-York-Marathons ihn nur als Ehrengast einladen. Doch Edison Peña sagte: Ich komme. Aber als Läufer! Zwei Monate war der Bergmann aus Chile verschüttet. Überlebt habe er, weil er unter Tage in den Stollen lief.

Als er gut 600 Meter unter der Erde war, wollte Edison Peña einfach nur überleben. Und den Verstand nicht verlieren. Also lief er. Jeden Tag. Kilometerweit. Durch die dunklen Stollen keuchte er, bis ihn seine Kameraden als "den Läufer" halb verspotteten und halb bewunderten. Als man die 33 nach mehr als zwei Monaten rauszog, war Edison der zwölfte. Am Sonntag war er vermutlich nicht mal der Zwölftausendste, aber das zählte nicht: Edison Peña, einer der in Chile 69 Tage verschütteten Bergleute, ist den New-York-Marathon mitgelaufen.

Die Veranstalter des mit etwa 45 000 Sportlern gewaltigen Massenlaufs wollten Peña eigentlich nur als Ehrengast einladen, weil sie von "dem Läufer" gehört hatten. Er hatte unter Tage seine schweren Arbeitsstiefel mühsam über dem Knöchel abgeschnitten und sich so Laufschuhe gebastelt. Laufschuhe mit Stahlspitze und dickem Leder. In der riesigen Mine mit ihren langen Gängen lief Peña, jeden Tag, kilometerweit.

Durch eine dünne Röhre wurden die Männer schließlich wieder in ihr Leben zurückgezogen. Ein paar Tage später bekam der Bergarbeiter die Einladung aus New York und er antwortete, er komme gern. Aber als Läufer, nicht als Zuschauer.

Der 34-Jährige wurde in der Stadt wie ein Held empfangen, war Ehrengast auf dem Empire State Building und schließlich sogar in der "Late Show" von David Letterman. "Als ich das erste Mal in einer Mine war, wollte ich sofort wieder raus", sagte Peña. "Ach", antwortete Letterman, "das geht den meisten meiner Gäste hier auch so".

"Als ich lief, dachte ich nur, dass ich das Schicksal besiegen will", sagte der Chilene. "Ich habe zu der Mine gesagt: Ich laufe einfach so lange, bis du meiner überdrüssig wirst." Statt gut 600 Meter unter der Erde stand er 400 Meter darüber auf dem Empire State Building, immer wieder beglückwünscht, etwas verloren ohne Englisch, aber fasziniert von dem Anblick von New Yorks höchstem Gebäude aus. "Precioso", sagte er nur, "wunderschön".

Eines war von vornherein klar: Zu den ersten würde der Chilene beim Marathon nicht gehören. Nicht einmal zur ersten Hälfte, denn er schätzt seine Zeit auf etwa sechs Stunden - fast das Dreifache der Weltklasseläufer. Aber egal, Peña freut sich schon auf die Einladung nach Graceland. Denn Elvis Presley ist die andere große Leidenschaft des Chilenen, weshalb er bei Letterman zum Jubel der Zuschauer spontan "Suspicious Minds" sang - inklusive des typischen Beckenschwungs des "Kings".

DPA
Chris Melzer, DPA

PRODUKTE & TIPPS