Kurzzeitig hatte es den Anschein, als sei es Jörg Kachelmann gelungen, die großen Medien des Landes einen Moment lang gleichzuschalten: Direkt nachdem er aus der U-Haft freigekommen war, gab er Interviews und präsentierte sich der Öffentlichkeit als freundliches Unschuldslamm, das unschuldig 130 Tage in den Knast musste. Jetzt, knapp eine Woche nach Kachelmanns Entlassung, deutet einiges darauf hin, dass seine aggressive Öffentlichkeitsstrategie nach hinten losgeht.
Dabei fing alles so harmlos an - etwa seine Kritik an den hygienischen Zuständen im Mannheimer Untersuchungsgefängnis: "Die Zelle war so, wie man es sich für einen Regimegegner in Nordkorea ausmalt. Sie müssen sich einfach allen Dreck, alle Scheiße im Klo und ganz viele Kakerlaken auf einmal vorstellen", sagte er dem "Spiegel". Diesen Vorwurf, wie ernst oder unernst er auch gemeint war, wollte die Gefängnisleitung nicht auf sich sitzen lassen: "Das ist weit überzeichnet", sagte ein JVA-Sprecher dazu und Kachelmann hatte den ersten, wenngleich noch harmloseren Gegenwind abbekommen.
"Mit Weißwein bis um halb drei gefeiert"
Deutlich kräftiger wirkt da schon der Vorwurf, den die "Bild"-Zeitung nun in den Raum stellt. Kachelmann habe seine Entlassung bei einem Kölner Italiener gefeiert, "mit Weißwein, bis nachts halb drei", wie das Blatt schreibt. Unter den Gästen war auch der Psychologe Tilman Elliger, der in einem spektakulären Gutachten die Beschuldigungen des mutmaßlichen Kachelmann-Opfers anzweifelt. Die "Bild" suggeriert in ihrem Artikel eine zu enge Verbindung zwischen Kachelmann und dem Gutachter. Die Zeitung zitiert Elliger den Worten, dass es keinen Interessenskonflikt gebe: "Das war keine Party. Ich habe einen Espresso getrunken und bin wieder gegangen."
Freilich muss diese Begebenheit nichts bedeuten, die "Bild" schreibt auffallend häufig aus Sicht der Ex-Freundin, doch könnte ein Geschmäckle blieben, das die Glaubwürdigkeit Kachelmanns beschädigt.
Dass der unter übergroßem Interesse stehende Wetterexperte derzeit jeden Weg geht, um seine Interessen durchzusetzen, ist verständlich. Nach der letzten "Anne Will"-Sendung etwa wandte sich Kachelmann per E-Mail an Alice Schwarzer, die ihn in der Talkshow angegangen war. Prompt veröffentlichte die Frauenrechtlerin Auszüge aus dem harmlosen, aber eindeutig nach Aufmerksamkeit heischenden Schreibens in ihrem Blog. Selbst erfahrende Juristen geht diese Strategie mittlerweile zu weit zu gehen: "Die Interviewäußerung von Herrn Kachelmann kann im Verfahren gegen ihn verwendet werden. Da muss er vor Gericht nur in ein oder zwei Sätzen etwas Abweichendes sagen - und schon unterminiert das seine Glaubwürdigkeit", sagt zum Beispiel Wolfgang Kubicki, FDP-Politiker und Rechtsanwalt in einem Interview mit der "Taz". Zudem, so der in öffentlichwirksamen Fällen erfahrende Verteidiger, entstehe so "eine Art medialer Volksgerichtshof, der die Unbefangenheit der Richter beeinflusst".