In der Stunde der Niederlage flehte Miguel Angel Mejia Munera nur noch ums nackte Überleben: "Ihr habt gewonnen, respektiert das Leben" rief Kolumbiens mächtiger Kokainboss den Drogenfahndern zu. Die hatten gerade einmal drei Tage zuvor dessen Bruder Victor Manuel bei einem Feuergefecht auf einer Finca bei Medellin getötet. Das Bild der blutüberströmten Leiche, der die Pistolen noch im Hosenbund steckten, machte anschließend die Runde durch die kolumbianischen Massenmedien. Den Zeitungen und TV-Sendern wurden von der Polizei, wie in Kolumbien üblich, offizielle Fahndungsvideos zugespielt. Als den Fahndern dann am Freitag auch noch Zwillingsbruder Miguel Angel Mejia Munera ins Netz ging, war der prestigeträchtige Erfolg der Drogenfahndung perfekt und eines der weltweit mächtigsten Drogenkartelle ihrer Köpfe beraubt.
Wissen des Drogenbarons ist Gold wert
Wie eine Trophäe führte die Polizei den prominenten Häftling der Presse vor. Der wiederum scheute sich nicht, den Journalisten einige Fragen zu beantworten. Eine Reporterin des privaten TV-Senders Caracol schaffte es sogar bis in den Polizeihubschrauber.
Jetzt beginnt hinter den Kulissen das große Feilschen. Der Anwalt der beiden Brüder, die es als "los Mellizos" (Die Zwillinge) bis an die Spitze der milliardenschweren Drogenkartelle geschafft hatten, steckt ebenfalls via TV schon einmal die Marschroute für die nächsten Wochen ab. Der überlebende Miguel Angel soll an die USA ausgeliefert werden, eine Perspektive, die den kolumbianischen Kokainkönigen grundsätzlich überhaupt nicht behagt. Anwalt Gustavo Salazar Pineda ist in seinem Element, als er gestenreich seinen Schützling vor der wissbegierigen Medienmeute verteidigt.
Und Miguel Angel Mejia Munera hat einiges zu bieten: Das Insiderwissen des Drogenbarons ist für die Fahnder Gold wert. Nicht zuletzt deshalb hatte die US-Drogenbehörde DEA ein Kopfgeld von fünf Millionen US Dollar für Hinweise auf den Aufenthaltsort der "Mellizos" ausgesetzt. Der entscheidene Tipp soll in der Tat aus dem Umfeld der Brüder gekommen sein. Kolumbiens Verteidigungsminister Juan Manuel Santos bestätigte, dass die Belohnung gezahlt werden wird.
Regierung steht unter Druck
Welche finanzielle Macht die beiden Kokaindealer besaßen, macht ein pikantes politisches Detail deutlich: Victor Manuel "kaufte" sich nach Angaben des kolumbianischen Nachrichtenmagazins "semana" für fünf Millionen Dollar einen militärischen Block der gefürchteten rechten Paramilitärs. Der zum "Commandante" aufgestiegene Drogenboss wollte sich auf diese Weise eine Eintrittskarte in die Amnestie-Verhandlungen der Todesschwadronen erkaufen, die diese mit der Regierung führen.
Nicht zuletzt deshalb kommt der Fahndungserfolg für die kolumbianische Regierung gerade recht. Der konservative Präsident Alvaro Uribe steht in diesen Tagen besonders unter Druck, denn eine ganze Reihe Politiker aus dem Regierungslager sind wegen ihrer Nähe zu den Paramilitärs verhaftet oder gar schon verurteilt worden. Uribe hatte noch am Wochenende berichtet, die Brüder hätten angeboten, sich Gegenzug für Strafminderung und eine Nichtauslieferungsgarantie zu stellen. "Unsere Antwort lautete: Auf gar keinen Fall", stellte ein sichtlich zufriedener Präsident klar.
Zwei fehlen noch
Mit dem neuerlichen Verhaftungserfolg ist der überwiegende Teil der "alten" Garde der kolumbianischen Kokainkönige dingfest gemacht worden. Von den Top-Ten der teilweise milliardenschweren Drogenbarone fehlen nur noch Fabio Enrique Ochoa Vasco und Carlos Alberto Renteria Mantilla. Die anderen acht sind entweder in Haft oder getötet, einer ist seit Jahren verschollen.
Für Alvaro Caro, Direktor der kolumbianischen Drogenpolizei, sind die Fahndungserfolge zwar wichtig, doch trotz aller Bemühungen boomt der Drogenhandel wie nie zuvor: "Die kolumbianischen Kartelle erschließen Europa als neuen Markt", sagte der Fahnder der "Policia Antinarcoticos" stern.de in Bogota. Die Zusammenarbeit mit mexikanischen Kartellen und neue "Verteilzentren" in Afrika machen zudem die Arbeit der kolumbianischen Fahner zu einem Sisyphus-Projekt. So sehr die Erfolge gegen die aktuelle Generation der Kartelle die kolumbianische Polizei erstarken lässt, die nachfolgenden Drogenmanager füllen die entstanden Lücken schnell und reibungslos. Bis auch sie irgendwann an die Liste der meistgesuchten Dealer des Landes stehen. Das Spiel kann von neuem beginnen.
Für Miguel Angel Mejia ist das Leben im Luxus jetzt erst einmal vorbei: Er soll in dieser Woche in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt werden. Das politische Ränkespiel hinter den Kulissen wegen dessen paramilitärischer Vergangenheit hat derweil schon längst begonnen. Die Jagd nach den noch freien Drogenbossen geht weiter.