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Organisierte Kriminalität Die italienische Mafia hat ein Geschäft gefunden, das mehr bringt als Geld

Kunstraub: Die Mafia fand ein Geschäft, das mehr bringt als Geld
Von der Mafia 2002 erbeutet, 14 Jahre später wieder aufgetaucht: Van Goghs "Reformierte Kirche in Nuenen"
© Marco Cantile/LaPresse
Durch Kronzeugen erhielten Anti-Mafia-Experten neue Erkenntnisse zu einem alten italienischen Problemfeld: Kunstraub. 2017 wurden in Italien 6255 Kunstwerke gestohlen – aus Museen, Privathaushalten und Kirchen.
Von Margherita Bettoni und Floriana Bulfon

Es war im Februar, als die Beauftragten der italienischen Anti-Mafia-Kommission einen erstaunlichen Bericht vorlegten und die Öffentlichkeit erfuhr, dass eines der meistgesuchten Kunstwerke der Welt vermutlich doch nicht zerstört worden war.

Rund 50 Jahre nach dem Raub der "Geburt Christi mit den Heiligen Laurentius und Franziskus" des italienischen Malers Caravaggio erzählte ein Cosa-Nostra-Kronzeuge der Kommission, dass die sizilianische Mafia das Bild in den 70er Jahren an einen schweizerischen Kunsthändler verkauft hatte.

Seit dem Verschwinden aus einem Gebetshaus in Palermo im Jahre 1969 hatten sich um das Gemälde wilde Legenden gerankt: Die Führungsspitze der Cosa Nostra habe es bei wichtigen Treffen aufgestellt, erzählten einige. Der Oberboss Totò Riina habe es als Bettvorleger benutzt, schworen andere.

Kunstraub, Geldwäsche, Investition

Durch die Erzählung des Kronzeugen erhielten nun die Anti-Mafia-Experten neue Erkenntnisse zu einem alten italienischen Problemfeld: Kunstraub. 2017 wurden in Italien 6255 Kunstwerke gestohlen – aus Museen, Privathaushalten, Kirchen. Das sind durchschnittlich 17 Objekte pro Tag. Und immer wieder steckt ein ähnliches Täterprofil dahinter: die Mafia. Neben dem bloßen Raub macht sich die Mafia den Schwarzmarkt, aber auch den legalen, allerdings vielerorts intransparenten Kunstmarkt zunutze. Es kommt durchaus vor, dass Kriminelle dort Bilder kaufen.

Fabrizio Parrulli jagt Kunsträuber und Mafiabosse
Fabrizio Parrulli jagt Kunsträuber und Mafiabosse
© Luiz Rampelotto/EuropaNewswire/Picture-Alliance

Denn Kunstwerke sind eine sichere Investition. Sie verlieren nicht an Wert und werden meist bar bezahlt – ideale Konditionen für Geldwäsche. "Oft steigt sogar der Wert eines Gemäldes mit der Zeit. Kriminelle sehen den Kauf also nicht nur als Geldwäschemöglichkeit, sondern auch als Investition", sagt Fabrizio Parrulli, Leiter der Dienststelle zum Schutz des Kulturgutes, eine Sondereinheit der Carabinieri.

Mafiosi handeln jedoch auch und vor allem mit geraubter Kunst. 2016 fanden Ermittler zwei Van-Gogh-Bilder im Wert von 100 Millionen US-Dollar bei einer Hausdurchsuchung in Castellamare di Stabia bei Neapel. Das Haus gehörte der Familie eines Drogenhändlers der Camorra, der Mafia aus Kampanien. Zwei Diebe hatten die Bilder "Meer bei Scheveningen" und "Reformierte Kirche in Nuenen" 2002 aus dem Van-Gogh-Museum in Amsterdam geklaut. Zwei Jahre nach der Tat hatte die Polizei die Täter verhaftet, die jedoch keine Angaben zum Verbleib der Bilder machten. Es ist unwahrscheinlich, dass der Drogenbaron vorhatte, die gestohlenen Bilder auf den legalen Markt zu bringen.

Fabrizio Parrullis Dienststelle zum Schutz des Kulturgutes genießt einen weltweit guten Ruf. Allein im Jahr 2017 konnte sie Gemälde, Skulpturen und Antiquitäten im Wert von mehr als 54 Millionen Euro zurückgewinnen.

Mafiaboss Gaetano Badalamenti
Mafiaboss Gaetano Badalamenti
© Getty Images

Die Einheit wurde bereits 1969 gegründet, im selben Jahr, als das Caravaggio-Bild gestohlen wurde. Das "Geburt Christi"-Gemälde steht mit einem geschätzten Wert von 20 Millionen Dollar auf der Fahndungsliste des FBI als eines der zehn meistgesuchten Kunstwerke weltweit. Durch die Aussagen des Kronzeugen konnten nun Ermittler zumindest den Raub rekonstruieren. Er sagte gegenüber der Anti-Mafia-Kommission, dass Kleinkriminelle das Bild gestohlen hatten, aber die Wichtigkeit des Werkes die Cosa Nostra dazu brachte, das Bild für sich zu beanspruchen.

In vier Teile zerlegt

Es soll dann dem damaligen Boss Gaetano Badalamenti überreicht worden sein. Der habe das Bild an einen Kunsthändler aus Lugano verkauft. Auf dessen Idee sei es in vier Teile zerlegt worden, um es leichter auf den Schwarzmarkt zu bringen. Dieser Händler sei mittlerweile gestorben, dennoch hoffen die Beamten nun, das legendäre Gemälde aufspüren zu können.

Allerdings fahnden sie nicht mehr nach einem einzelnen, sondern nach vier Bildern oder womöglich mehr.

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