Zwei Messer soll Ahmed S. bei sich getragen haben, als er am 26. September 2012 das Jobcenter im niederrheinischen Neuss betrat. Wütend sei er gewesen, wird der 52-Jährige später im Polizeiverhör sagen. Wütend wegen einer Datenschutzerklärung, die er zuvor unterschrieben und mit der er der Weitergabe seiner Daten an andere Behörden zugestimmt hatte. Nachdem er im Fernsehen Beiträge über Datenmissbrauch gesehen hatte, wollte S. seinen Berater im Jobcenter zur Rede stellen. Wenig später, so die Staatsanwaltschaft, erstach S. in dem Gebäude die Sachbearbeiterin Irene N.
Gut fünf Monate nach der tödlichen Messerattacke muss sich S. von Mittwoch an vor dem Düsseldorfer Landgericht verantworten. Wegen Mordes droht ihm lebenslange Haft - zudem könnte das Gericht die besondere Schwere seiner Schuld feststellen, was eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ausschließen würde. Ihr Urteil will die Strafkammer nach derzeitigem Stand am 4. April verkünden, bis dahin haben die Richter insgesamt sieben Verhandlungstage anberaumt.
"Rufen Sie die Polizei."
Nach Erkenntnissen der Ermittler wurde die 32-jährige Jobcenter-Mitarbeiterin offenbar zufällig Opfer der Bluttat. Denn der Berater, den S. laut Anklage eigentlich aufsuchen wollte, war nicht in seinem Büro. Daraufhin ging S. der Staatsanwaltschaft zufolge zum Büro von Irene N., die er von vorherigen Beratungsterminen kannte. Völlig unvermittelt soll er dort zunächst ein 25 Zentimeter langes Küchenmesser aus der Hosentasche hervorgezogen und in Richtung des arg- und wehrlosen Opfers gestochen haben.
Der 32-Jährigen gelang es laut Anklage zunächst, den Angreifer wegzuschubsen. S. soll daraufhin das zweite Messer gezückt haben. Mit dem 30 Zentimeter langen Fleischermesser versetzte er der Frau vier Stiche in Brust, Bauch und Oberschenkel. S. verließ anschließend den Tatort, wurde aber wenig später von herbeigerufenen Polizisten in unmittelbarer Nähe des Jobcenters festgenommen. Nach früheren Polizeiangaben soll S. noch im Gebäude Zeugen zufolge gesagt haben: "Rufen Sie die Polizei."
Kein absoluter Schutz vor Angriffen
Die lebensgefährlich verletzte Irene N. brachten Rettungskräfte in ein Krankenhaus, wo sie noch am Tattag starb - an den Stichverletzungen und an dem Blutverlust, den sie erlitten hatte. Kurz nach der Tat hatte der Leiter der damals ermittelnden Mordkommission, Guido Adler, von einem "mehr als tragischen Geschehen" gesprochen. Anlass sei offenbar eine "absolute Nichtigkeit" gewesen. S. sagte demnach bei den ersten Verhören, die TV-Berichte über Datenmissbrauch hätten ihn nicht zur Ruhe kommen lassen - vor der Tat habe er deswegen mehrere schlaflose Nächte verbracht.
Der Mord im Neusser Jobcenter löste bundesweit Entsetzen aus und brachte eine Debatte über die Sicherungsvorkehrungen in Behörden in Gang. Die Sicherheitskonzepte in Arbeitsagenturen wurden überprüft mit dem Ziel, Gefahren für die Beschäftigten soweit wie möglich einzudämmen. Allerdings waren sich die Experten in einem Punkt einig: Einen absoluten Schutz vor Angriffen auf Behördenmitarbeiter werde es angesichts der großen Zahl von Kundenkontakten nicht geben.